Wahlrecht: Häupl beruft Krisenstab ein

Mit ihrer Aussage, in der Wahlrechtsdebatte kompromissbereit zu sein, stößt Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) auf Verwunderung bei Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). Er „kann die Vorgangsweise nicht nachvollziehen“ und wird einen Krisenstab einberufen.

„Treffen wir uns in der Mitte“, schlug Vassilakou zur Streitfrage der Wahlzahl für die Mandatsvergabe am Donnerstag via Printmedien vor. Bereits geeinigt habe sich die Koalition darauf, die nicht amtsführenden Stadträte (derzeit vier) abzuschaffen, wofür es allerdings einer Änderung der Bundesverfassung bedarf.

Häupl kündigt Koalitionsausschuss an

Der Koalitionsfriede dürfte mit diesem Vorstoß nachhaltig gestört sein. „Wir werden über die weitere Vorgangsweise reden. Es war etwas anderes ausgemacht, daher muss man über die Beweggründe reden, warum man das nicht einhalten kann. Das kann vorkommen, aber dann sollte man zumindest vorher anrufen", sagte Häupl.

Er zeigte sich von der Ansage Vassilakous verwundert: Der „vermeintliche Kompromiss“ sei zum einen zwei Jahre alt und würde andererseits auf eine Art und Weise transportiert, die „solche Sachen nicht lösen kann“. Das sei nur durch geduldige und beharrliche Gespräche möglich, sagte Häupl im Gespräch mit wien.ORF.at. Außerdem habe es eine andere Vereinbarung zwischen den Koalitionspartnern gegeben, weswegen er „diese Vorgangsweise nicht wirklich nachvollziehen“ könne. Und: „Wahlen werden immer noch vom Wähler entschieden und nicht vom Wahlrecht.“

Er kündigte darüber hinaus an, für Montag einen außerordentlichen Koalitionsausschuss einzuberufen - ein politisches Instrument, das vor allem in Krisenzeiten zum Einsatz kommt, zuletzt etwa zum Thema Mariahilfer Straße. Die Koalition sei aber nicht in Gefahr - die lasse man wegen einer „Disharmonie im Wahlrecht nicht so einfach platzen“.

„Plus 0,5“ statt „plus eins“

Seit mehr als drei Jahren verhandeln Rot und Grün über eine Wahlrechtsreform, zu der sich die Grünen noch vor ihrem Einzug in die Stadtregierung gemeinsam mit FPÖ und ÖVP per Notariatsakt verpflichtet haben. Seit Monaten stocken die Gespräche allerdings, Knackpunkt ist die Wahlzahl für die Verteilung der Mandate - die in Wien stark mehrheitsfördernd ist und eine absolute Mandatsmehrheit für die SPÖ auch mit 45 Prozent der Stimmen ermöglicht - mehr dazu in Wahlrecht: Heuer keine Reform mehr.

Das wird erreicht, indem die Wahlzahl für die Verteilung der Mandate in den Wahlkreisen nach der Formel „Gültige Stimmen dividiert durch Zahl der Mandate plus eins“ berechnet wird. Die Grünen wollten bisher das „plus eins“ ganz gestrichen haben. Ihr jetziges Angebot, sich „in der Mitte“ zu treffen, bedeutet, dass die Formel auf „Zahl der Mandate plus 0,5“ geändert wird. Ein Vorschlag der SPÖ, der laut Häupl ebenfalls 2012 gemacht wurde, sehe ein „plus 0,75“ vor.

Nicht amtsführende Stadträte abschaffen?

Das Angebot tue den Grünen weh, sagte Vassilakou. Aber es sei nötig, sich zu bewegen. Kein Problem war für sie, auf die nicht amtsführenden Stadträte zu verzichten. Das sind die von den Oppositionsparteien gestellten Stadträte, die zwar einige Kontroll-, aber keine Mitspracherechte haben. „Diesen Posten braucht kein Mensch“, aber er koste drei Millionen Euro pro Jahr, so die Grünen-Chefin, die die Abschaffung für geboten hält.

Häupl: „Ich brauche die nicht amtsführenden Stadträte nicht, gebe aber zu bedenken, dass dafür die Bundesverfassung geändert werden muss.“ Das müsse man im Kopf haben, bevor man die Forderung „so gelassen ausspricht.“

FPÖ und ÖVP zu Grünen: „Umfaller“

FPÖ-Verfassungssprecher Dietbert Kowarik kommentierte den Vorstoß Vassilakous am Donnerstag knapp mit dem Wort „Umfaller“. Er empfehle das Studium der von ihr unterschriebenen Vereinbarung aus dem Jahr 2010. Gemeint ist damit der erwähnte Notariatsakt zwischen Grünen, ÖVP und FPÖ. Darin sei „nicht die Rede von knieweichen Pseudoreförmchen“, sondern darin seien die Regelungen der Nationalratswahlordnung als Vorbild für eine moderne Reform definiert, sagte Kowarik.

Einen „Umfaller“ attestierte der Vizebürgermeisterin auch der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka. Wien bekomme mit dem Vorschlag nicht das faire Wahlrecht, zu dem sich die drei Parteien vor der Gemeinderatswahl verpflichtet hätten, sagte Juraczka. Vassilakou biete der SPÖ einen „Kompromiss“ an, der weiterhin die stärkste Fraktion klar bevorzuge. „Das lehnen wir entschieden ab.“

Links: