Wahlrecht: Reform bis Jänner geplant

Bis zur dritten Jännerwoche soll die Reform des Wahlrechts stehen. Darauf hat sich Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) nach dem Koalitionsausschuss festgelegt. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) konstatierte ein „konstruktives Gespräch“.

Sinn des außertourlich einberufenen Koalitionsausschusses sei es gewesen, den „schiefhängenden Haussegen“ wieder zu begradigen, sagte Bürgermeister Häupl unmittelbar nach Ende des gut einstündigen Treffens am Montagnachmittag. Ob man sich angenähert hat bzw. welchen Spielraum es angesichts der Patt-Situation rund um die künftige Mandatsverteilung noch gibt, wollte Häupl nicht kommentieren: „Ich führe nicht vor Fernsehkameras Verhandlungen.“

Wien-Wahl soll planmäßig stattfinden

Die rot-grüne Verhandlungsgruppe werde in den folgenden Gesprächen Lösungen suchen und finden, zeigte er sich überzeugt. Und er betonte einmal mehr, dass Neuwahlen in Hinsicht auf den Wahlrechtswickel nie Thema gewesen seien.

Vizebürgermeisterin Vassilakou berichtete nach Sitzungsende von „konstruktiven Gesprächen“: „Wir haben Hintergründe und Standpunkte ausgetauscht und werden nun schnell eine Lösung suchen.“ Die Karten würden nun auf dem Tisch liegen. Auch Vassilakou versicherte, dass die Wien-Wahl ungeachtet des Wahlrechtsstreits planmäßig im kommenden Herbst stattfinden werde.

Streitpunkt seit drei Jahren

Die Stadtkoalition ringt bereits seit mehr als drei Jahren um eine Reform des derzeitigen Wahlrechts. Schon lange einig ist man sich etwa in puncto Aufwertung des Persönlichkeitswahlrechts oder der - gemäß der Bundesvorgabe nötigen - Abschaffung der Nachsendefrist für Briefwähler. Heiß umfehdeter Knackpunkt ist nach wie vor der künftige Schlüssel für die Mandatsverteilung. Die jetzige Regelung begünstigt die stimmenstärkste Partei - sprich: die SPÖ.

Nach monatelangem Patt war Vassilakou in der Vorwoche dann öffentlich vorgeprescht und hatte der SPÖ eine Halbierung des derzeitigen mehrheitsfördernden Faktors angeboten. Häupl zeigte sich daraufhin not amused, betonte, dass das grüne Angebot keinesfalls neu sei und er sich nicht unter Druck setzen lasse. Und er wiederholte den Kompromissvorschlag der Roten: Eine Reduktion des mehrheitsfördernden Faktors um ein Viertel - mehr dazu in Wahlrecht: Häupl beruft Krisenstab ein

Der Koalitionsausschuss mit Häupl, Vassilakou, den beiden Klubobleuten Rudolf Schicker (SPÖ) und David Ellensohn (Grüne) sowie dem SP-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler und dem grünen Landessprecher Georg Prack sollte nun wieder Eintracht bringen. Beide Parteien hatten bereits in den vergangenen Tagen versichert, dass die rot-grüne Koalition ob des Wahlrechtszwists keinesfalls platzen werde.

ÖVP: „Kein faires Wahlrecht mehr“

Die Wiener ÖVP zeigte sich mit dem Ergebnis des rot-grünen Koalitionsausschusses nicht zufrieden: Die Wahlrechtsreform werde einmal mehr auf die lange Bank geschoben, war Landesparteichef Manfred Juraczka am Montagabend via Aussendung erzürnt. Es werde unter dieser Stadtregierung kein faires Wahlrecht mehr geben, prophezeite er: „Rot will nicht, Grün fehlt die Courage.“

Feilschen zwischen 0,5 und 0,75

Bei der Reform geht es um die Frage, wie mehrheitsfördernd das künftige Wiener Wahlrecht sein soll. Konkret soll jene Zahl diskutiert werden, die den Stimmen für die Erreichung eines Grundmandates hinzugezählt wird. Derzeit beträgt diese genau eins, die Grünen wollen stattdessen 0,5, die SPÖ 0,75 dazu zählen - mehr dazu in Vassilakou: „Vorschlag ist nicht ganz neu“.

FPÖ und ÖVP wollen den Faktor überhaupt streichen - das habe man auch mit den Grünen vor der Wahl im Jahr 2010 in einem Notariatsakt paktiert, sind sich Schwarz und Blau einig und werfen den Grünen „Umfallen und Wählertäuschung“ vor - mehr dazu in Wahlrecht: FPÖ wirft Grünen Wählerverrat vor.

Filzmaier: „Schaden für Grünen größer“

Die Wahlrechtsdebatte schade jedenfalls beiden Regierungsparteien, sagte Politikwissenschaftler Peter Filzmaier im Gespräch mit „Radio Wien“. Denn man wollte eigentlich von der gemeinsamen Regierungszeit in „eine Leistungsbilanz als Wahlkampfstrategie überleiten“, stattdessen seien Rot und Grün nun verstrickter denn je, sagte Filzmaier. Größer sei der Schaden aber für die Grünen aufgrund des mit den Oppositionsparteien geschlossenen Notariatsakts, weshalb sie in der Debatte eine Einigung erzielen müssen, ist der Politologe überzeugt.

Andernfalls drohe den Grünen, ihre eigenen Sympathisanten nicht weiterhin überzeugen zu können: „Man kann nicht in den Wahlkampf ziehen und auf ein billigeres Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel verweisen, wenn gleichzeitig beim Wahlrecht nichts weitergegangen ist“, sagte Filzmaier. Dass doch früher als im Herbst gewählt wird, hält Filzmaier für durchaus möglich, es sei aber eine Definitionssache: „Statt mit großem Trara das Ende der Koalition zu verkünden, könnte man in ein bisschen vorgezogene Wahlen im März oder Juni überleiten“.

Links: