Fall Kampusch: Rzeszut hatte „mentalen Tunnel“

Ex-OGH-Präsident Johann Rzeszut hat im Prozess wegen falscher Zeugenaussage von einem „mentalen Tunnel“ gesprochen. Er soll mit jenem Polizisten Kontakt gehabt haben, der illegal im Fall Kampusch ermittelte. Der Prozess wurde vertagt.

„Nicht schuldig“ hat sich Johann Rzeszut, ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH), zum Prozessaufakt am Wiener Straflandesgericht bekannt. Zwei Treffen mit dem Polizisten hat er unter Wahrheitspflicht zugegeben, die Telefonate aber stritt er ab. Er habe nicht jedes einzelne Gespräch im Kopf gehabt: „Das Kurzzeitgedächtnis von einem 74-Jährigen ist nicht mehr so intakt wie von einem jungen Menschen. Da ersuche ich um Verständnis“, sagte Rzeszut, der am 5. März des kommenden Jahres 74 Jahre alt wird.

Johann Rzsezut bei Prozess am Landesgericht

APA/Herbert Pfarrhofer

„Nicht schuldig“ bekannte sich Johann Rzeszut

Zweifel an Kampusch-Ermittlungen

Rzeszut hatte einer vom Innenministerium eingesetzten Evaluierungskommission angehört, die allfälligen behördlichen Versäumnissen bei der Suche nach der im Frühjahr 1998 verschwundenen Natascha Kampusch nachgehen sollte. In dieser Funktion sorgte Rzeszut selbst in ihm wohlgesonnenen Kreisen für Irritationen, indem er öffentlich ein Gutachten anzweifelte, das Wolfgang Priklopil als Einzeltäter auswies - mehr dazu in Kampusch-Bericht sieht keine Mittäter (wien.ORF.at; 14.4.2013).

Telefonkontakt mit Polizisten

Weiters unterstellte der Spitzenjurist dem Entführungsopfer, eine Schwangerschaft verheimlicht zu haben. Als ein Polizist ohne Ermittlungsgrundlage illegal in einer niederösterreichischen Volksschule versuchte, an die DNA eines Mädchens zu gelangen, um Klarheit zu erlangen, ob es sich dabei um die leibliche Tochter Kampuschs handelt, berief sich dieser Beamte auf Rzeszut - mehr dazu in Fall Kampusch: Polizist verurteilt (wien.ORF.at; 18.8.2014).

Daraufhin wurde Rzeszut im Ermittlungsverfahren gegen den - mittlerweile in erster Instanz wegen Amtsmissbrauchs zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilten - Polizisten förmlich als Zeuge vernommen. Der Ex-OGH-Präsident versicherte Anfang März 2012 unter Wahrheitspflicht, den Mann nicht zu kennen. Eine Rufdaten-Rückerfassung ergab ein anderes Bild. Erst im Februar 2012 hatte Rzeszut demnach mehrmals mit dem Beamten telefoniert, eines der Gespräche dauerte elf Minuten. Auch mehrere SMS wurden registriert.

Prozess auf Februar vertagt

In seiner Aussage vor Gericht versuchte Rzeszut am Donnerstag zu erklären, dass die Telefonate zum Zeitpunkt seiner Zeugenaussage im März 2012 „keinen Erinnerungswert“ gehabt hätten. Er habe „stereotyp immer gesagt, ich hab damit nix zu tun“ und einen „mentalen Tunnel“ gehabt. Zudem habe es damals „eine Fülle an Telefonaten“ gegeben, er könne sich „nicht an jedes kleine Telefonat erinnern“.

Die Verhandlung wegen falscher Zeugenaussage wurde schließlich zur ergänzenden Beweisaufnahme auf den 12. Februar vertagt. Da zunächst auch vermutet wurde, dass Rzeszut mit dem strafrechtlichen Fehlverhalten des Polizisten etwas zu tun gehabt haben könnte, wurde auch in diese Richtung ermittelt. Dieses Verfahren wegen Verdachts auf Beteiligung am Amtsmissbrauch wurde jedoch im September 2014 eingestellt.

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