Misshandlung in Heimen: 30 Meldungen pro Monat

Nach Bekanntwerden von massiven Misshandlungsfällen in Wiener Kinderheimen und bei Pflegefamilien in den 1950er und 60er Jahren läuft die Aufarbeitung noch: Bisher bekamen 1.731 Betroffene eine Entschädigung. Es melden sich aber im Schnitt noch immer 30 Betroffene pro Monat.

Drohungen, massive sexuelle Übergriffe oder Schläge: Insgesamt haben sich bisher 2.379 Menschen an den Weißen Ring gewandt, der im Jahr 2010 von der Stadt mit der Abwicklung der Entschädigungszahlungen beauftragt wurde. Neben monetären Zuwendungen gibt es für die Betroffenen auch psychologische Hilfe und Therapien.

Jenes Gremium, das über Leistungen und Zahlungen entscheidet, hat in bisher 44 Sitzungen 2.262 Fälle einzeln untersucht, sagte Marianne Gammer, Geschäftsführerin des Weißen Rings gegenüber Radio Wien. Davon wurde in 1.731 Fällen finanzielle Unterstützung beschlossen.

Durchschnittlich noch 30 Meldungen pro Monat

Die Höhe der Entschädigungszahlungen beträgt jeweils bis zu 25.000 Euro. In besonders schweren Fällen ist diese laut Gammer auch höher. Bislang wurden finanzielle Unterstützungen in der Höhe von 30 Millionen Euro beschlossen, wobei laut Gammer „ein Teil noch in Auszahlung befindlich ist“.

Bei den Betroffenen handelt es sich mit rund 63 Prozent um mehr Männer als Frauen. „Am meisten werden Gewaltübergriffe von Personen angegeben, die zwischen 1950 und 1959 geboren wurden“, sagte Gammer. Auch wenn die Zahl der „Neumeldungen rückläufig“ ist, wurden vom Weißen Ring in diesem Jahr noch immer durchschnittlich 30 Meldungen pro Monat gezählt. Im Vorjahr meldeten sich im Durchschnitt 44 Personen pro Monat - mehr dazu in Heime: Bisher 1.320 Opfer entschädigt.

„Sehr viele sind zögerlich und überlegen, ob sie sich melden sollen. Für viele ist der Weg zum Weißen Ring auch mit Angst verbunden. Angst davor, wieder mit Situationen aus der Kindheit, aus der Jugend konfrontiert zu werden“, sagte Gammer.

Auch Gewalt bei Pflegeeltern ausgesetzt

Von den Betroffenen wurde am häufigsten das ehemalige Heim in Eggenburg als Ort von Gewalt genannt. Dahinter folgen der Wilhelminenberg und die Hohe Warte. Viele Betroffene lebten übrigens nicht nur in einem Heim, sondern sind öfter gesiedelt. Im Schnitt wurden 4,3 Unterbringungen pro Person berechnet. Aber auch die Unterbringung bei Pflegeeltern konnte von Gewalt geprägt sein - davon erzählten 262 Opfer.

Heimreform im Jahr 2000

Im Juni 2013 legte eine Untersuchungskommission unter Leitung von Barbara Helige ihren Bericht zum Kinderheim am Wilhelminenberg vor. Dort „hat es systematische Gewalt und Missbrauch gegeben“. Den verantwortlichen Politikern seien die Missstände in Heimen betreffend physische Gewalt spätestens seit den 1960er Jahren in vollem Ausmaß bekannt gewesen, heißt es darin - mehr dazu in Wilhelminenberg: Missbrauch bestätigt.

Seit der Heimreform im Jahr 2000 gibt es in Wien keine Großheime mehr. Die Kinder werden nunmehr in Wohngemeinschaften untergebracht. Zudem wurden auch Krisenzentren geschaffen. Dort werden Kinder und Jugendliche laut Jugendamt vorläufig untergebracht, wenn der Schutz in der Familie nicht mehr gewährleistet werden kann. Auch Pflegeeltern erhalten heutzutage eine Ausbildung.

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