Alijew-Suizid: Anwälte haben Zweifel

Der wegen Mordes angeklagte kasachische Ex-Botschafter Rachat Alijew ist tot. Der Insasse der Justizanstalt Josefstadt erhängte sich laut Vollzugsdirektion in der Nacht auf Dienstag. Seine Verteidiger zweifeln an der Suizidthese. Einer sprach sogar von Mord.

Der frühere Botschafter erhängte sich in der Nasszelle mit Mullbinden an einem Kleiderhaken. Er wurde um 7.20 Uhr entdeckt, hieß es aus der Vollzugsdirektion - mehr dazu in news.ORF.at. Für Verteidiger Manfred und Klaus Ainedter ist es schwer vorstellbar, dass der 52-Jährige freiwillig aus dem Leben geschieden ist. „Ich habe daran erhebliche Zweifel, ohne jemanden beschuldigen zu wollen. Ich habe ihn gestern noch besucht. Es konnte überhaupt keine Rede von Suizidgefahr sein“, sagte Klaus Ainedter, der gemeinsam mit seinem Vater Manfred seit mehreren Jahren Alijew strafrechtlich vertreten hat.

Rakhat Aliyev Alijew

APA/HBF/DRAGAN TATIC

Im April hätte der Prozess gegen Rachat Alijew in Wien starten sollen

Zeitpunkt des Todes „höchst auffällig“

„Die Vermutung ist, dass ihn jemand umgebracht hat“, sagte auch Alijews Anwalt Stefan Prochaska. Der Zeitpunkt des Todes kurz vor Beginn der Hauptverhandlung gegen Alijew sei „höchst auffällig“. Offenbar sollte verhindert werden, dass die Anklage gegen ihn zusammenbricht. Er glaube nicht daran, dass Alijew Suizid verübt habe. „Das macht keinen Sinn.“ In den vergangenen Wochen und Monaten habe er viel Zeit mit seinem Mandanten verbracht, der alles andere als in Selbstmitleid zerflossen sei. „Er war eher der Fighter.“

„Viele Löcher in der Anklage“

Man habe bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung „viele Löcher in der Anklage gefunden“, etwa Zeugen, die ihre Aussage vom Papier abgelesen und diese dann lächelnd mit den Worten „Was für ein interessantes Märchen“ kommentiert hätten. Außerdem habe man Hinweise erhalten, dass viele Belastungszeugen geplant hätten, in Österreich Asyl zu beantragen. „Es ist höchst auffällig, dass er sich vor der Verhandlung, in der man das gesehen hätte, hätte umbringen sollen“, sagte Prochaska.

Zu möglichen weiteren Schritten wollte sich Prochaska nicht äußern. Er sei „sehr geschockt“. Er habe aber schon erreicht, dass bei der Untersuchung der Todesumstände „massiv hingeschaut“ wird. Der Anwalt wies darauf hin, dass sich Alijew in seiner Haftzeit auch mit der Justizverwaltung angelegt und zwei Anzeigen erstattet habe, unter anderem wegen Erpressung.

Auch Opferanwalt fordert Aufklärung der Todesursache

Auch Opferanwalt Gabriel Lansky fordert eine genaue Aufklärung der Todesursache. Weiters müsse das Mordverfahren gegen die beiden Mitangeklagten Alijews „wie geplant durchgeführt werden“, betonte Lansky. „Die Todesursache und der Hergang müssen genauestens aufgeklärt werden, damit kein Raum für Verschwörungstheorien bleibt“, unterstrich der Anwalt der Witwen der beiden angeblich von Alijew umgebrachten kasachischen Bankmanager.

Angebliche Erpressung im Gefängnis

Alijew hätte am Dienstag als Zeuge in einem Prozess gegen zwei ehemalige Zellengenossen, denen Erpressung vorgeworfen wird, aussagen sollen. Laut Anklage sollen die Mithäftlinge Alijew erklärt haben, in der Justizanstalt gebe es „viele verrückte Leute“. Wenn er überleben wolle, müsse er 3.000 Euro bezahlen, sonst könne ihn jemand während des Waschens im Duschraum umbringen und es wie einen Selbstmord aussehen lassen - mehr dazu in Alijew soll im Gefängnis erpresst worden sein (wien.ORF.at; 8.1.2015). Keine zwei Stunden nachdem in der Josefstadt die Leiche von Alijew entdeckt wurde, hat der Prozess begonnen. Ein Chefinspektor sagte dabei als Zeuge aus, dass Alijew „in Furcht war“ - mehr dazu in Chefinspektor: Alijew „war in Furcht“.

Prozess gegen Mitangeklagte findet „wie geplant“ statt

Gegen Alijew wurde im Dezember Mordanklage eingebracht. Dem früheren Schwiegersohn des kasachischen Machthabers Nursultan Nasarbajew wurde die Tötung zweier Bankmanager in Kasachstan angelastet. Die Anwälte wiesen diese Vorwürfe stets zurück - mehr dazu in Causa Alijew: Mordanklage eingebracht (wien.ORF.at; 30.12.2014).

Die kasachische Justiz begann mit der Verfolgung Alijews, nachdem sich dieser im Jahr 2007 mit Nasarbajew überworfen hatte. Zwei Auslieferungsbegehren Kasachstans wurden von Österreich abgelehnt, nach längerem Tauziehen begann die österreichische Justiz dann selbst mit Ermittlungen in dem Fall. Ende März, Anfang April hätte im Wiener Landesgericht der Prozess gegen Alijew beginnen sollen - mehr dazu in Chronologie: Der Fall Alijew (wien.ORF.at).

Ungeachtet des Ablebens Alijews wird vermutlich nach Ostern der Prozess um die Entführung und Ermordung zweier kasachischer Bankmanager im Straflandesgericht über die Bühne gehen. Nach dem Tod des ehemaligen kasachischen Botschafters in Wien wird jedoch die zentrale Figur in den von der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien umfassten Vorgängen fehlen. Neben Alijew wurden der ehemalige kasachische Geheimdienstchef Alnur Mussajew sowie ein früherer Leibwächter Alijews zur Anklage gebracht. Sie sollen in die Verschleppung der Banker verwickelt gewesen sein, Mussajew soll auch den Ort gekannt haben, an dem ihre sterblichen Überreste beseitigt wurden.

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