Chefinspektor: Alijew „war in Furcht“

Keine zwei Stunden nachdem in der Justizanstalt (JA) Josefstadt die Leiche von Rachat Alijew entdeckt wurde, hat am Dienstag der Prozess um eine angebliche Erpressung Alijews begonnen. Ein Chefinspektor sagte dabei als Zeuge aus: Alijew „war in Furcht und Unruhe“.

Zwei Mithäftlinge sollen den 52-jährigen ehemaligen kasachischen Botschafter mit dem Tod in der Justizanstalt bedroht haben, als dieser in U-Haft genommen und ins Gefängnis eingeliefert wurde. Die Mithäftlinge sollen Alijew erklärt haben, in der Justizanstalt gebe es „viele verrückte Leute“. Wenn er, Alijew, überleben wolle, müsse er 3.000 Euro bezahlen, sonst könne ihn jemand während des Waschens im Duschraum umbringen und es wie einen Selbstmord aussehen lassen. Am Dienstag wurde Alijew erhängt im Nassbereich seiner Zelle aufgefunden - mehr dazu in news.ORF.at.

Angeklagte nicht geständig

Die beiden sollen ihn derart eingeschüchtert haben, dass Alijew dem Älteren über seinen Anwalt 1.000 Euro zukommen ließ. Der Jüngere soll Alijew Schläge angedroht haben, um in den Besitz eines T-Shirts und einer Telefonwertkarte des 52-Jährigen zu gelangen.

Die zwei Männer haben sich vor einem Schöffensenat nicht geständig gezeigt. „Der Russe“ habe ihm helfen wollen und ihm „aus freien Stücken“ Geld gegeben, betonte der Ältere, ein 41-Jähriger, der wegen versuchten Mordes bereits 15 Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Der 20-Jährige, der Alijew darüber hinaus noch Schläge angedroht haben soll, konnte sich ebenfalls nicht erklären, weshalb Alijew Anzeige erstattet hatte.

Wie Verteidiger Nikolaus Rast bemerkte, hätte Alijew ein Motiv gehabt, die Männer fälschlicherweise zu belasten. Unter Verweis auf die angeblich erlittene Erpressung habe Alijew um seine Verlegung in eine Einzelzelle angesucht und das in weiterer Folge auch genehmigt bekommen.

Rätsel um Tagebuch

Wie ein Chefinspektor der Polizei, der die Ermittlungen um die angebliche Erpressung in der Justizanstalt Josefstadt geleitet hatte, im Zeugenstand erklärte, soll Alijew auch nach seiner Verlegung in eine Einzelzelle Angst gehabt haben. „Er war in Furcht und Unruhe und hatte die Befürchtung, dass die Drohungen wahr gemacht werden“, sagte der Polizeibeamte.

Wie der Chefinspektor weiters zu Protokoll, gab, führte Alijew im Gefängnis Tagebuch. Dort soll er die ihm widerfahrenen Einschüchterungen auch aufgezeichnet haben. Er habe der Polizei dieses Tagebuch aber nicht zur Verfügung stellen wollen, hielt der Chefinspektor fest. Ob dieses Tagebuch nach dem Ableben Alijews in seiner Zelle sichergestellt werden konnte, ließ sich für die APA vorerst nicht klären.

Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt

Als Zeuge befragt wurde auch ein 31-jähriger Häftling, den Alijew angeblich gebeten hatte, ihn in seinem Haftraum „aufzunehmen“. „Er wollte nur raus aus der Zelle“, sagte der Mann unter Verweis auf die beiden Angeklagten. Alijew sei allerdings selbst „link“ gewesen: „Er wollte sich im Gefängnis mit allen Mitteln einen Namen machen. Er wollte auch mir Geld überweisen. Ich habe das immer dankend abgelehnt.“

Ein weiterer ehemaliger Häftling erinnerte sich, in der Zelle, in der Alijew zunächst mit den beiden Angeklagten saß, hätte „eine sehr schlechte Stimmung“ geherrscht. Alijew sei ihm „eingeschüchtert“ vorgekommen: „Das hat man schon gespürt.“ Die Zellengenossen hätten Alijew offenbar auch bestohlen, gab der 49-Jährige an. So sei diesem ein Gürtel abhandengekommen. Seine Uhr habe Alijew wiederum „in der Zelle des Hausarbeiters in Sicherheit gebracht“.

Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Für Richter Norbert Gerstberger war es „eine Frage des Anstands“, den abschließenden Bericht der Justizanstalt Josefstadt zum Ableben Alijews beizuschaffen. Das Gericht möchte darüber hinaus noch weitere Zeugen hören.

Prozess gegen Mitangeklagte findet „wie geplant“ statt

Gegen Alijew wurde im Dezember Mordanklage eingebracht. Dem früheren Schwiegersohn des kasachischen Machthabers Nursultan Nasarbajew wurde die Tötung zweier Bankmanager in Kasachstan angelastet. Die Anwälte wiesen diese Vorwürfe stets zurück - mehr dazu in Causa Alijew: Mordanklage eingebracht.

Ungeachtet des Ablebens Alijews wird vermutlich nach Ostern der Prozess um die Entführung und Ermordung zweier kasachischer Bankmanager im Straflandesgericht über die Bühne gehen. Nach dem Tod des ehemaligen kasachischen Botschafters in Wien wird jedoch die zentrale Figur in den von der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien umfassten Vorgängen fehlen.

Neben Alijew wurden der ehemalige kasachische Geheimdienstchef Alnur Mussajew und ein früherer Leibwächter Alijews zur Anklage gebracht. Sie sollen in die Verschleppung der Banker verwickelt gewesen sein, Mussajew soll auch den Ort gekannt haben, an demihre sterblichen Überreste beseitigt wurden.

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