Rechnungshof rügt zu frühe U2

Der Rechnungshof (RH) hat das derzeit größte Wiener Stadtentwicklungsprojekt, die „Seestadt“ Aspern, unter die Lupe genommen. Kritik übten die Prüfer etwa an der zu früh erfolgten Erweiterung der U-Bahnlinie U2.

Im Oktober 2013 wurde die Verlängerung der U2 bis zur Station „Seestadt“ eröffnet - allerdings wohnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand in dem neuen Stadtteil. Die Fertigstellung der ersten Wohnbauten hatte sich verzögert, erst im Herbst 2014 zogen die ersten Bewohner ein. Für einen Zeitraum von einem Jahr profitierten also nur die Einwohner der umliegenden Ortskerne wie etwa Essling, die per Bus zur neuen U-Bahn gebracht wurden, kritisierte der Rechnungshof.

Wiener Linien verteidigten die frühe Eröffnung

Zudem stieß der Kontrollbehörde auf, dass die verlängerte Strecke auch am Wochenende und in der Nacht eingehalten wurde. Die Empfehlung lautete, „U-Bahn-Verlängerungen aus Kosten-Nutzen-Überlegungen mit den Stadtentwicklungen abzustimmen und die U-Bahn erst kurz vor der Besiedelung in Betrieb zu nehmen.“ Die Wiener Linien verteidigten die frühe Eröffnung als Angebot für Anrainer aus der Umgebung. Man habe der phasenweisen Stadtentwicklung zudem Rechnung getragen, indem nur jeder zweite Zug tatsächlich bis zur Endstation gefahren sei.

Kritik auch an Geothermie-Projekt

Auch die Pläne von Stadt und Wien Energie, einen Teil des Energiebedarfs des neuen Stadtteils durch Geothermie zu decken, wurden vom Rechnungshof geprüft. Grundsätzlich sei die geplante Nutzung erneuerbarer Energieformen positiv zu bewerten, so der RH. An der Durchführung hatte er jedoch einiges auszusetzen: Bereits im Winter 2012 wurde das Projekt eingestellt, da bei Erkundungsbohrungen nicht das erwartete Heißwasser gefunden worden war. Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die Kosten bereits auf rund 17,26 Millionen Euro - mehr dazu in Kraftwerk Aspern: Millionen Euro Schaden.

Die für die Durchführung zuständige Geothermiezentrum Aspern GmbH hatte für den Fall einer unzureichenden Förderungsrate bzw. einer zu geringen Lagerstättentemperatur eine sogenannte Fündigkeitsversicherung abgeschlossen. Allerdings: Laut RH war in der Versicherungspolizze der Fall, dass gar kein Heißwasser gefunden wurde, nicht vorgesehen. Die Versicherung weigerte sich daher, die Kosten zu übernehmen. In einem außergerichtlichen Vergleich einigte man sich auf eine einmalige Zahlung von 3,75 Mio. Euro. Das habe nicht einmal der bis dato entrichteten Prämienzahlung entsprochen, bemängelten die Prüfer.

RH kritisiert auch zu späte Koordination

Kritik setzte es aber auch auf einer übergeordneten Ebene: So sei die Koordination durch die „Projektleitung Seestadt Aspern“ erst ab 1. September 2011 erfolgt. Diese hätte „früher, aber spätestens seit der Beteiligung privater Partner im Jahr 2010 eingerichtet werden sollen“, urteilte der Rechnungshof. Denn dadurch hätte es auch am übergreifenden Projektmanagement gefehlt - was sich etwa in uneinheitlichen Ausschreibungen oder mangelnden Übernahmemodalitäten bemerkbar gemacht hätte.

Außerdem fehlten der Kontrollbehörde Detailvereinbarungen zwischen den jeweiligen Fachdienststellen (etwa Wiener Wasser) und der Projektentwicklungsgesellschaft - diese würden inzwischen jedoch vorliegen, hieß es in einer Stellungnahme der Stadt.

Fehlende Steuerungshoheit der Stadt Wien

Eben jene privaten Partner, die im Zuge einer PPP-Finanzierung (Private Public Partnership, Anm.) an Bord des Seestadt-Projektes geholt wurden, gaben auch Anlass für weitere Kritik. Im Jahr 2010 waren Teile der Projektentwicklungsgesellschaft „Wien Aspern Development Gmbh“ an Tochterunternehmen einer Versicherung sowie einer Sparkasse verkauft worden. Ein Drittel verblieb im Besitz der Immobilientochter der Wirtschaftsagentur Wien.

Die Prüfer sahen nicht nur das fehlende Bieterverfahren - das vielleicht einen besseren Kaufpreis erzielt hätte - kritisch, sondern auch die Rechtslage. Denn die Verträge sahen vor, dass jeder Gesellschafter einen Beschluss der anderen Partner blockieren konnte.

„Die volle Steuerungshoheit für die Stadt Wien war somit nicht gegeben“, folgerte der RH daraus. Künftig seien Rechtsverhältnisse so zu gestalten, dass die Steuerungshoheit der öffentlichen Hand gewährt bleibe, so die Empfehlung. Die Erklärung der Wirtschaftsagentur, dass so ein Vorgehen PPP-Modelle für Investoren unattraktiv mache und eventuell die Maastricht-Kriterien nicht eingehalten werden könnten, ließen die Prüfer nicht gelten. Im Sinne einer nachhaltigen Budgetsicherung sollten PPP-Modelle „nicht primär zur Einhaltung von Maastricht-Kriterien durchgeführt werden“, lautete das Urteil.

Keine vollständige Kostenübersicht

Ebenfalls kritisch beäugte der RH die Gesamtkostenaufstellung für das Projekt Seestadt. Der Projektleitung würden etwa die Kosten für die Errichtung der Energieinfrastruktur durch im Eigentum der Stadt Wien stehende Unternehmen nicht vorliegen, rügte die Kontrollbehörde. Auch die Zahlen für externe Projekte wie die Errichtung der Feuerwache, des Stadthauses oder der Park & Ride-Anlage würden fehlen. Künftig sollten daher auch die Kosten von Fachdienststellen, Unternehmen und stadtnahen Unternehmen aufgeschlüsselt werden, um ein Gesamtbild der von der Stadt zu tragenden Summe zu erhalten.

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