Alijew-Leiche: Vorerst keine Freigabe

Nach der Obduktion des ehemaligen kasachischen Botschafters in Wien, Rachat Alijew, wird die Leiche von der Staatsanwaltschaft Wien vorerst nicht freigegeben. Das Tagebuch, das Alijew geführt hatte, wurde sichergestellt und wird ausgewertet.

Grund für die Nicht-Freigabe ist, dass die Anklagebehörde den Todesfall umfassend untersuchen lassen will. „Das soll perfekt gemacht werden“, sagte Gerhard Jarosch von der Wiener Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen würden in enger Absprache mit dem Justizministerium und der Oberstaatsanwaltschaft Wien erfolgen. Auch für Anregungen seitens der kasachischen Behörden und der Rechtsvertreter Alijews sei man offen, sagte Jarosch: „Wir machen alles, was möglich ist. Die Kosten spielen dabei keine Rolle. Wir wollen uns später nicht allfälligen Vorwürfen aussetzen, es sei irgendetwas unterlassen worden.“

Justizanstalt Josefstadt

ORF.at/Patrick Wally

Justizanstalt Josefstadt

Üblicherweise wird bei gerichtlichen Obduktionen der Leichnam 24 bis 36 Stunden danach freigegeben. Im Fall Alijew hat das vorläufige Obduktionsergebnis vorerst keine Hinweise auf ein Fremdverschulden ergeben. Die Staatsanwaltschaft geht daher von einem Suizid aus, der allerdings von den Rechtsvertretern des Ex-Diplomaten angezweifelt wird. Diese fordern unter anderem die Überprüfung der bisherigen Obduktionsergebnisse durch einen zweiten, unabhängigen Sachverständigen. Die Anklagebehörde steht diesem Ansinnen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, ließ Jarosch durchblicken.

Ängste in Tagebuch dokumentiert?

Auf das Tagebuch des Ex-Botschafters gab es zuerst keinen Hinweis, es düfte aber mit den anderen persönlichen Gegenständen von Alijew in der Zelle beschlagnahmt worden sein, berichtete das Ö1-Mittagsjournal. Es wird alles genau untersucht, auch die Manipulationsvorwürfe der Anwälte, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Die Anwälte hatten gesagt, dass während eines Krankenhausaufenthalts von Alijew eine Seite aus dem Tagebuch gerissen worden sei - mehr dazu in Fall Alijew: Rätsel um Tagebuch.

Außerdem sagte ein Chefinspektor bei dem Prozess, bei dem Alijew als Zeuge aussagen hätte sollen, dass Alijew in seinem Tagebuch seine Ängste und Befürchtungen über Einschüchterungsversuche im Gefängnis notiert habe - mehr dazu in Chefinspektor: Alijew „war in Furcht“. Offen ist, ob sich aus der Auswertung des Tagebuchs Rückschlüsse gewinnen lassen, die zur eindeutigen Klärung der Todesursache beitragen. Einen Abschiedsbrief hinterließ Alijew nicht.

Videos durch zwei Passwörter gesichert

Die Mutmaßung, die Überwachungsvideos könnten manipuliert worden sein, wies die Vollzugsdirektion zurück. Die Videos seien durch zwei Passwörter gesichert, eines habe die Anstaltsleitung, das zweite die Personalvertretung. Bei der Analyse der Aufnahmen sei auch die Polizei dabei gewesen, so die Vollzugsdirektion.

Mullbinden stammten aus Krankenabteilung

Die Mullbinden, mit denen sich Alijew aus Sicht der Staatsanwaltschaft und der Vollzugsdirektion an einem Kleiderhaken im Nassbereich seiner Zelle erhängt haben soll, stammten aus der Krankenabteilung der JA Josefstadt, wo der herzkranke Ex-Diplomat untergebracht war. Dort können sich die Häftlinge relativ frei bewegen, Alijew wäre es daher leicht möglich gewesen, die Mullbinden unbemerkt an sich zu bringen.

Die endgültige Klärung der Todesursache wird allerdings noch einige Zeit auf sich warten lassen. Offiziell wird das toxikologische Gutachten - anhand einer Blutuntersuchung soll festgestellt werden, ob und welche Substanzen Alijew bei seinem Ableben in sich hatte - keinesfalls, wie von der Staatsanwaltschaft erhofft, in „einigen Tagen“ vorliegen. Experten gehen davon aus, dass jedenfalls zwei, drei Wochen vergehen werden, ehe die offiziellen Ergebnisse vorliegen.

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