Fall Alijew: Experten und FBI gefordert

Der Tod des kasachischen Ex-Botschafters Rachat Alijew wird derzeit von einer Expertenkommission untersucht. Im Blut des am Dienstag erhängt in seiner Zelle in der Justizanstalt Josefstadt aufgefundenen Alijew wurden Spuren eines Betäubungsmittels festgestellt. Die Justiz geht weiter von Suizid aus - die Anwälte zweifeln jedoch daran und wollen das FBI hinzuziehen.

Eine unabhängige Expertengruppe unter dem pensionierten Generalprokurator Ernst Eugen Fabrizy soll den Fall zweifelsfrei klären. Das Institut für Gerichtsmedizin in Wien wird diesen laut dem Sektionschef Christian Pilnacek nicht mehr weiter untersuchen: „Um jeden Verdacht der Beeinflussung auszuschließen, wird ein Institut in Zürich oder in Innsbruck beauftragt“, sagte Pilnacek am Freitag gegenüber Ö1.

Betäubungsmittel in Vortest nachgewiesen

Ein Anwalt Alijews bestätigte gegenüber Ö1, dass im Blut des Toten bei einer ersten Analyse der Gerichtsmedizin Hinweise auf Barbiturate festgestellt wurden. Barbiturate wirken bewusstseinsverändernd und können als Schlafmittel eingesetzt werden oder auch zur Betäubung. Justizsektionschef Christian Pilnacek sowie die Staatsanwaltschaft bestätigten den Fund von Betäubungsmittel im Blut des verstorbenen kasachischen Ex-Botschafters.

Allerdings handle es sich um einen „Vortest“, bei dem „Spuren von Barbituraten“ gefunden worden seien, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, am Freitag. Dieses Ergebnis sei nur „vorläufig“, das toxikologische Gutachten müsse noch abgewartet werden, so Bussek weiter. Bis zu einem genauen Ergebnis könne es Wochen dauern.

Sendungshinweis

Der ZIB2-Beitrag ist in tvthek.orf.at online nachzusehen.

Wie schon beim Fall Natascha Kampusch sollten die „besten Experten“ zu Ermittlungen herangezogen werden, sagte Alijew-Anwalt Manfred Ainedter am Freitag in der ZIB2. Er fordert den Einsatz der US-Bundesbehörde FBI.

„Schlafmittel auf eigenen Wunsch“

Laut der Justizanstalt Josefstadt hat Alijew auf eigenen Wunsch Schlafmittel erhalten. „Es ist möglich, dass Wirkstoffe dieser Medikamente eine Kreuzreaktion hervorrufen, die in diesem Schnelltest als Hinweis auf Barbiturate gelesen werden“, so Pilnacek. Allerdings sind Barbiturate in Europa als Schlafmittel praktisch nicht mehr zugelassen. Das bestätigte auch der Pharmakologe und Toxikologe Eckhard Beubler von der Medizinuni Graz gegenüber Ö1 am Freitag. Dass ein Arzt ein Barbiturat verschreibt, ist laut Beubler praktisch ausgeschlossen.

Rakhat Aliyev Alijew

APA/HBF/DRAGAN TATIC

Alijew saß wegen Mordverdachts in der Justizanstalt Josefstadt in U-Haft

Als Mordindiz können Barbiturate jedoch nicht gehandelt werden. Zuerst müsse das toxikologische und pharmakologische Gutachten abgewartet werden, welches Auskunft über die Höhe der Dosis geben könnte. Alijew war selbst Arzt. Theoretisch hätte er ein solches Mittel unmittelbar vor einem Suizid einnehmen können, sagt Beubler. Aber in diesem Fall hätte er sich, so Beubler, vermutlich nicht erhängt, sondern hätte einfach die doppelte Menge an Barbiturat eingenommen.

Leiche wird nicht freigegeben

Sowohl von Staatsanwaltschaft als auch von Justizvollzugsdirektion hieß es am Freitag erneut, dass es bei der Zellentür von Alijew einen elektronischen Mechanismus gebe, der jede Öffnung dokumentiere. Diese Aufzeichnungen sowie die Videoaufnahmen vom Gefängnisgang gaben keinerlei Hinweise darauf, dass jemand in Alijews Zelle eingedrungen ist. Alijews Anwälte vermuten hingegen mögliche Manipulationen - mehr dazu in Alijew-Suizid: Anwälte haben Zweifel (wien.ORF.at; 24.2.2015).

Nach der Obduktion des ehemaligen kasachischen Botschafters wird die Leiche von der Staatsanwaltschaft vorerst nicht freigegeben. Das Tagebuch, das Alijew geführt hatte, wurde sichergestellt und wird ausgewertet - mehr dazu in Alijew-Leiche: Vorerst keine Freigabe (wien.ORF.at; 26.2.2015).

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