Wahlrecht: Aufregung um SPÖ-„Blockade“

Am Freitag hat sich der Landtagsausschuss mit dem Wiener Wahlrecht befasst. ÖVP und FPÖ wollten einen Antrag für die Eliminierung des mehrheitsfördernden Faktors einbringen. Die SPÖ ließ diesen allerdings nicht zur Abstimmung zu.

Der schwarz-blaue Antrag entsprach dem Wortlaut des noch vor der Wien-Wahl 2010 von ÖVP, FPÖ und den Grünen - damals noch in Opposition - unterschriebenen Notariatsakts. Dieser sieht vor, dass die Stimmenprozente einer Partei sich möglichst 1:1 in Mandaten im Gemeinderat bzw. Landtag niederschlagen sollen.

Das Schriftstück, das auf der Tagesordnung des Ausschusses stand, sei aber von der Ausschussvorsitzenden, SPÖ-Mandatarin Nicole Berger-Krotsch, weder zur Debatte noch zur Abstimmung zugelassen worden, monierten ÖVP-Landesparteichef Manfred Juraczka und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus nach Ende der Sitzung vor Journalisten - mehr dazu in Wahlrecht: Häupl kündigt Blockade an (wien.ORF.at; 17.2.2015).

Juraczka: „Trauriger Tag für die Demokratie“

„Blockieren auf Biegen und Brechen“, ärgerte sich Gudenus. Juraczka beklagte „einen traurigen Tag für die Demokratie“. Beide Parteien wollen nun einen Sonderausschuss einberufen, um die Sache weiter zu diskutieren. Denn: Solange die SPÖ, die im Ausschuss nach wie vor die absolute Mehrheit hat, nicht grünes Licht gibt, kann der Antrag im Landtag, wo Opposition und Grüne gemeinsam die SPÖ überstimmen können, nicht zur Abstimmung gebracht werden.

Der grüne Klubobmann David Ellensohn zeigte sich ebenfalls unglücklich über die Vorgangsweise des Regierungspartners: „Das war heute kein Ruhmesblatt.“ Seine Partei sei der Meinung, dass der schwarz-blaue Antrag im Ausschuss sehr wohl zulässig gewesen wäre. Man hätte den Tagesordnungspunkt zumindest diskutieren müssen. Ellensohn kündigte am Freitag erneut an, dass die Grünen in der Landtagssitzung am 27. März einen Zusatz- oder Abänderungsantrag einbringen wollen, der nicht den Umweg über den Ausschuss gehen muss.

Schicker: „Lassen Diskussion offen“

SPÖ-Klubchef Rudolf Schicker wollte sich den Vorwurf der Blockade nicht gefallen lassen. Der Antrag sei nicht abgewürgt, sondern vielmehr „in Behandlung genommen“ worden. Soll heißen: Er wird jetzt juristisch auf seine Zulässigkeit geprüft, verwies man auf die Komplexität der Materie. Das komme regelmäßig vor und sei deshalb „übliche Praxis“. „Wir stimmen eben nicht alles gleich nieder, sondern lassen die Diskussion offen“, so die Interpretation Schickers.

Abgesehen davon wurden im Ausschuss am Freitag auch die verfassungsrechtlich nötigen Reparaturen zum Wahlrecht diskutiert. Hier geht es einerseits um die Aufhebung des Nachfrist für Briefwähler, andererseits um die Beseitigung des Wahlrechtsausschlusses für bestimmte Strafgefangene („Frodl-Urteil“). Rot-Grün hatte ursprünglich angekündigt, diese Teile gemeinsam erledigen zu wollen. Zuletzt waren diesbezüglich sogar All-Parteien-Anträge geplant.

Grüne stimmten gegen SPÖ

Schließlich wurden daraus zwei SPÖ-FPÖ-Anträge, die auch mit ÖVP-Zustimmung am Freitag abgesegnet wurden und damit am 27. März in den Landtag zur endgültigen Abstimmung bzw. zur Beschlussfassung kommen können. Die Grünen legten sich quer. Sie werfen der SPÖ vor, die Erstfassungen der All-Parteien-Anträge noch einmal verändert zu haben - und zwar nachträglich.

Demnach seien die Schriftstücke im Betreff „Änderung des Gesetzes über die Gemeindewahlordnung der Stadt Wien“ jeweils um den Passus „hinsichtlich Frist für Wahlkarten“ bzw. „hinsichtlich Wahlausschließungsgründe“ im Nachhinein ergänzt worden. Die Vermutung der Grünen: Durch die Spezifizierung soll dem von der SPÖ gestellten Landtagspräsidenten Harry Kopietz ein Argumentationsweg geebnet werden, um geplante Abänderungsanträge zum Mehrheitsfaktor - anders als bei der offenen Formulierung - leichter ablehnen zu können, da die Mandatsberechnung ja nichts mit der Frage Wahlkartenfrist bzw. Wahlausschließungsgründe zu tun habe.

„Ich mache hier sicher nicht die Räuberleiter für solche Tricks“, begründete Ellensohn das grüne Nein zu den beiden Anträgen. Der Vorwurf, seine Partei wolle folglich die Wahl nach den derzeitigen verfassungswidrigen Regelungen abhalten und somit eine Aufhebung durch das Gericht riskieren, sei aber freilich „ein Quatsch“.

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