Neuwirth komponiert „Orlando“ für Staatsoper

Die Komponistin Olga Neuwirth hat den Auftrag bekommen, für die Staatsoper eine Adaption des Romans „Orlando“ von Virginia Woolf zu schreiben. Die Premiere des gut eineinhalbstündigen Werks soll im Dezember 2019 stattfinden.

Das Vorhaben gaben am Dienstag Direktor Dominique Meyer (59) und die 46-jährige Komponistin bekannt. „Es ist immer ein Abenteuer, ein Auftragswerk zu machen. Das dauert immer lang“, betonte Meyer: „Es ist, wie wenn man Kinder bekommt.“

Olga Neuwirth

APA/Hans Klaus Techt

Die Komponistin Olga Neuwirth bringt Virginia Woolf auf die Staatsopernbühne

Neuwirth: „Hören nicht auf, wo Woolf aufhört“

Neuwirth arbeitet für die Adaption von Virginia Woolfs gleichnamigem Roman mit der frankoamerikanischen Autorin Catherine Filloux zusammen. Eine Erstfassung des englisch geplanten Librettos liege bereits vor, wobei man noch entscheiden müsse, welche Elemente des umfassenden Werks man übernehmen wolle, unterstrich Neuwirth. Klar sei jedenfalls: „Wir hören nicht auf, wo Virginia Woolf aufhört.“ Die Geschichte, die eine Zeit- und Geschlechterreise durch die Jahrhunderte durchdekliniert, geht somit über das Jahr 1928 hinaus.

Die Fragen von Geschlechtsidentität, Liebe und künstlerischer Kreativität seien die Themen, die sie an „Orlando“ am meisten interessierten. „Von den kleinen und den großen Dingen in der Welt lasse ich mich gleichermaßen inspirieren, eben von der wunderbaren Vielfalt des Lebens“, sinnierte die Komponistin. Und bei „Orlando“ gehe es „auch darum, sich nicht bevormundend und herablassend behandeln zu lassen, was einem als Frau immer wieder geschieht und geschehen wird“.

Auch musikalisch wolle sie Szene für Szene verschiedene Möglichkeiten durchspielen, wobei einerseits ein Countertenor eine Rolle spielen soll und zugleich die Wiener Philharmoniker sich auf Neues einstellen müssen: „Es gibt unglaubliche Orte in diesem Haus - und diese Orte werden den Klangkörper der Wiener Philharmoniker erweitern.“ In ihren Augen könne die Musik in der Oper den „bittersüßen Schmerz jenseits von Worten“ darstellen.

Gemeinsam mit Jelinek „entsorgt“

Deshalb sei sie dankbar, wenn es überhaupt Institutionen gebe, die noch Aufträge erteilten. „Komponisten - geschlechterunspezifisch - sind mit den verschwindenden Buchläden in unserer globalisierten Welt vergleichbar: eine vom Aussterben bedrohte Spezies.“

Dabei gebe es gerade für die Oper noch eine Zukunft, zeigte sich Neuwirth überzeugt: „Vielleicht bin ich verzweifelt optimistisch, aber ich denke, dass in einem Zeitalter konstanter Polemiken, schlecht informierter Vorwürfe, elektronischem Gepiepse, Multitasking und ständig schwindender Aufmerksamkeitsspannen diese immer wieder als altmodisch geltende Kunstform für vertieftes Hören/Zuhören, Verbindlichkeit und Engagement als auch fürs Risiko zum Experimentieren stehen kann.“

Dass das nicht immer selbstverständlich ist, musste Neuwirth am eigenen Leibe erfahren, wurde doch ihr Vorhaben einer Produktion gemeinsam mit Elfriede Jelinek unter dem Titel „Der Fall Hans W.“, die 2006 zunächst bei den Salzburger Festspielen und später an der Staatsoper vorgesehen war, einst gecancelt. „Wir beiden Frauen wurden nicht nur einmal entsorgt, sondern gleich mehrfach“, erinnerte sich Neuwirth. Das Projekt sei leider auf Dauer gestorben: „Frau Jelinek schreibt keine Libretti mehr - nie mehr. Da muss ich hier leider sagen: Danke!“

Neuwirth: „Frauen müssen auf der Hut sein“

Und sie bleibe skeptisch, ob wirklich neue Zeiten angebrochen sind: „Es geht nicht mehr nur um den ‚Boys Club‘. Gleichwertig ist jemand aber erst, wenn nicht mehr immer wieder aufs Neue auf ein Problem hingewiesen werden muss. Daher bin ich vorsichtig - aus meiner persönlichen Erfahrung heraus.“ Es bedürfe nur einer ökonomischen Krise, und die Frauenrechte würden wieder abgeräumt: „Frauen müssen ihr ganzes Leben auf der Hut sein.“

Dominique Meyer und Olga Neuwirth

APA/Hans Klaus Techt

Staatsoperndirektor Dominique Meyer und die Komponistin Olga Neuwirth

Jetzt sei sie aber zunächst froh, dass eine so ehrwürdige, traditionsreiche Institution wie die Staatsoper nun vielleicht doch eine vielfältigere Erzählweise ausforschen wolle. Das Haus werde dabei mit Kooperationspartnern zusammenarbeiten, deren Namen man zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgeben wolle, so Meyer. Auch die Besetzung und das Regieteam sind noch offen.

In jedem Falle soll „Orlando“ nicht die einzige Neukomposition an der Staatsoper in den kommenden Spielzeiten bleiben. So sind bis 2019 vier weitere Auftragskompositionen geplant, darunter zwei Kinderopern. Die konkreten Titel und Komponisten sollen zu einem späteren Zeitpunkt präsentiert werden. Das wolle er dezidiert nicht als Reaktion auf Medien verstanden wissen, die der Staatsoper zu wenig zeitgenössische Programmierung vorwarfen, unterstrich Meyer. Man müsse leider in seinem Beruf immer etwas beweisen: „Aber Sie kennen mich: Ich reagiere nie auf solche Vorwürfe.“

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