Gewaltvorwürfe: Staatsanwaltschaft bedauert

Nach Kritik an der Wiener Polizei und der Staatsanwaltschaft wegen Gewaltvorwürfen gibt es jetzt einen Rückzieher. Im Ö1-Mittagsjournal nennt die Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen eine 47-Jährige „vorschnell“: „Wir bedauern den Vorfall außerordentlich.“

„Der Staatsanwalt hätte gleich das gesamte Beweismaterial abwarten und sichten müssen und dann erst über einen Strafantrag, gegen welche Person auch immer, entscheiden müssen“, erklärte Maria-Luise Nittel, Leiterin der Staatsanwaltschaft, im Ö1-Mittagsjournal, „wir bedauern diesen Vorfall außerordentlich und wir werden auch alles daran setzen, solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden“. Der Prozess werde bis zur Klärung aller Vorwürfe aufgeschoben.

Anti-Folter-Erlass verlangt sofortiges Handeln

Laut einem Anti-Folter-Erlass muss die Staatsanwaltschaft Misshandlungsvorwürfen gegen Polizisten sofort nachgehen, sagt Nittel. Stattdessen hat der Staatsanwalt die Frau angeklagt, weil sie einem Polizisten ins Gesicht geschlagen haben soll. Dabei habe der Staatsanwalt schon gewusst, dass auch gegen die Polizisten Ermittlungen laufen. „Es ist in der Anzeige vermerkt, dass es interne Polizeiermittlungen gibt.“

Die Wochenzeitung „Falter“ hatte am Dienstag die Vorwürfe einer 47-jährigen Unternehmerin publik gemacht. Polizisten sollen sie in der Silvesternacht schwer verletzt haben. Gegen die Frau wurde aber Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung erstattet. Ein Video zeigt einen Teil des Vorfalls - mehr dazu in Video soll Polizeigewalt belegen.

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Staatsanwalt ermittelte nicht gegen Polizisten

Auf dem Video aus der Überwachungskamera sieht man, wie die Frau zunächst mit zwei Polizistinnen scherzt. Das Video zeigt, wie die 47-Jährige eine Polizistin am Bauch antippt, dann die Hand in Richtung Brust einer anderen Beamtin streckt. Dann wird von ihr ein Alkoholtest verlangt, den sie verweigert.

Daraufhin eskaliert die Situation. Die Frau wird von männlichen Polizisten weggezerrt und hinter einem Polizeibus von Polizisten „beamtshandelt“. „Die Herren haben mich am Boden fixiert, haben mir Hand- und Fußschellen angelegt. Ich bin am Bauch gelegen. Ich habe geschrien und herumgewütet. Je mehr ich mich gewehrt habe, desto mehr haben sie mich auf mich eingeschlagen.“ Laut „Falter“ erlitt die Frau in der Folge Blutergüsse, Prellungen und einen Steißbeinbruch. Wie, ist am Video nicht zu sehen. Ein Krankenhaus erstattete Anzeige.

Sektionschef: Anklage „vorschnell“ erhoben

Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek hatte im „Ö1-Morgenjournal“ Kritik an der Polizei und der Staatsanwaltschaft geübt: „Mir erscheint der Einsatz zu massiv.“ Laut der Anzeige der Polizei soll die Frau einem Polizisten einen Faustschlag ins Gesicht versetzt haben. Laut Pilnacek könnte es sich dabei um eine Verteidigungshandlung gegen die Polizisten in Notwehr handeln. Die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen die Frau könnte „vorschnell“ erhoben worden sein, wie Pilnacek erläuterte.

Offenbar dachten die Ermittler nicht daran, dass es bei der Tankstelle eine Überwachungskamera geben könnte und dass es zu dem Vorfall zwei Anzeigen - von der Polizei und der Frau - gibt. Das Video wurde erst von der Frau aufgetrieben. „Jedenfalls ist der Vorfall nicht in dem Maß aufgeklärt, dass man sagen kann, eine oder andere Seite befindet sich im Recht“, sagte Pilnacek.

Anklage gegen Frau weiter aufrecht

Die Staatsanwaltschaft zog die Anklage gegen die Frau aber nicht zurück. Wenn die Anklage zurückgezogen wird, könne nicht mehr nachträglich angeklagt werden, sagt Nittel, jedenfalls „nicht gegen diese Beschuldigte.“ Man verspricht baldige Aufklärung. „Wir werden alles daran setzen, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden, auch in Zusammenarbeit mit den zuständigen Polizeibehörden.“

Johann Golob, Sprecher der Wiener Polizei, sagte gegenüber Ö1, dass es unabhängig von diesem Fall „ja doch meistens Beschuldigte sind“, die solche Vorwürfe erheben würden, weil sie „strafbarer Handlungen verdächtig“ seien. „Und das muss natürlich schon genau hinterfragt werden.“ Bei 250 Anzeigen gegen Polizisten im Vorjahr habe es keine Verurteilung gegeben. Das Innenministerium forderte zum aktuellen Fall aber einen Bericht an.

Wilfried Embacher, Rechtsvertreter der 47-Jährigen, sagte zur APA, seine Maßnahmenbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof richte sich nur gegen die Landespolizeidirektion. Es gebe aber noch keine Stellungnahme der Gegenseite, geschweige denn einen Verhandlungstermin. Bei den strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Beamten gehe er davon aus, dass diese nun „mit mehr Nachdruck“ geführt würden.

Vorwürfe von Studenten gegen Polizei

Am Montag hatte ein Student in der ORF-Sendung „Thema“ Polizisten vorgeworfen, sie hätten ihn am Silvesterpfad ohne Grund gewürgt, geschlagen und als Moslem beschimpft - mehr dazu in Student von Polizisten misshandelt?

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