U-Haft über IS-Heimkehrer verhängt

Über den 16-jährigen Wiener, gegen den wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt wird, wurde die Untersuchungshaft verhängt - wegen Tatbegehungs- und Fluchtgefahr. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

„Ich habe damit gerechnet“, sagte sein Anwalt Werner Tomanek im ORF-Interview. Er mache sich aber Sorgen, denn Aussteiger aus der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) seien gefährdet. „Es ist bekannt, dass die Herrschaften relativ humorlos sind bei solchen Ex-Dschihadisten, Aussteigern und Verrätern.“ Sein Mandat sei aber weiterhin bereit, die Wahrheit zu sagen.

Nach eigenen Angaben wurde der 16-Jährige bei einem Bombenangriff in Syrien schwer verletzt, er ist nun in der Sonderkrankenanstalt der Justizanstalt Josefstadt untergebracht. Betreut wird er unter anderem von der Jugendgerichtshilfe, mit dem Ziel, dass er sich im Gefängnis nicht weiter radikalisiert.

Ermittlungen wegen Terrorverdachts

Tomanek zufolge hat der 16-Jährige der IS-Ideologie abgeschworen, auch Peter Prechtl, Leiter der Vollzugsdirektion, bestätigte gegenüber Ö1 diesen Eindruck: „Wir werden ihn auf jeden Fall in seiner Haltung unterstützen.“ Der 16-Jährige wird von Ärzten und Psychologen betreut. „Wir achten genau darauf, wie er untergebracht ist und mit wem er Kontakt hat“, sagte Prechtl.

Video Dschihadist

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Der 16-Jährige in einem Propaganda-Video des IS

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 16-Jährigen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Sollte es zu einem Prozess kommen, dann wird auch die Frage aufgeworfen, ob der 16-Jährige auch gekämpft hat. Er selbst sagt, er sei nur Rettungsfahrer gewesen - mehr dazu in 16-jähriger IS-Kämpfer festgenommen.

Bekannter Austroislamist nicht mehr am Leben

Der 16-Jährige hat beim IS die Hälfte seiner Bekannten sterben gesehen, die mit ihm in den Dschihad gezogen waren, meinte Anwalt Werner Tomanek am Freitag. Auch der aus Wien-Floridsdorf stammende Firas H. (19), der als IS-Propagandist agiert hatte, ist nicht mehr am Leben, so Tomanek: „Mein Mandant hat seine zerfetzte Leiche gesehen.“

Firas H. soll zuletzt dem sogenannten Medienministerium der IS angehört haben. Von der syrischen Stadt Rakka aus versorgte er via Facebook Sympathisanten aus Deutschland und Österreich mit Werbebotschaften und postete Fotos, die ihn mit einem abgeschnittenen Kopf bzw. beim Zählen von Banknoten zeigten, die angeblich ermordeten syrischen Soldaten abgenommen worden waren.

Gefälschter Pass bei Reise in die Türkei

Der 16-Jährige war mit einem gefälschten Pass, der ihn als 18 und damit volljährig auswies, im vergangenen August gemeinsam mit einem gebürtigen Türken per Flugzeug in die Türkei gelangt. Der Bursch - er weist keinen Migrationshintergrund auf und hatte während seiner gesamten Schulzeit keinerlei Bezug zum Islam - war erst drei Monate vorher konvertiert.

Binnen kürzester Zeit radikalisierte sich der Jugendliche, brach seine Lehre als Versicherungskaufmann ab und ging auch nicht mehr in die Berufsschule. Glaubensbrüder sollen ihn überzeugt haben, dass er sich aus religiösen Gründen dem bewaffneten Dschihad anschließen müsse. Sein Anwalt möchte den Burschen nun von einem psychiatrischen Sachverständigen untersuchen lassen, um nähere Aufschlüsse über diesen jähen Sinneswandel zu bekommen.

Ohne Waffenausbildung im Einsatz

In der Türkei angekommen, wurde der Jugendliche gemeinsam mit anderen IS-Sympathisanten umgehend an die syrisch-türkische Grenze gebracht. Wie er nun dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) erklärte, hatte er sich zu einer bestimmten Stunde gemeinsam mit den anderen jungen Männern aus dem Westen, die zum IS wollten, an der Grenzstelle zu postieren. Nachts soll dann plötzlich wie aus dem Nichts ein Fahrzeug mit sechs bewaffneten IS-Kämpfern aufgetaucht sein, welche die Grenzbeamten bedrohten, entwaffneten und die Dschihadisten mitnahmen.

Berufsschule Hans Mandl

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In diese Schule ging der 16-Jährige - seinen Klassenkameraden drohte er per SMS mit dem „Abschlachten“

Im IS-Gebiet angelangt, bekam der 16-Jährige eine Kalaschnikow und 30 Schuss Munition in die Hand gedrückt. Ausbildung an der Waffe erhielt er keine. Wie er dem LVT darlegte, wurde der Teenager im weiteren Verlauf bei der Schlacht um Kobane vom IS als Sanitäter eingesetzt. „Er ist ganz allein in einem Hummer-Geländewagen gesessen und damit tagelang mit Morphiumspritzen am Beifahrersitz herumgefahren. Dabei hat er mit 16 ja nicht mal einen Führerschein. Er hat gerade einmal einen Fahrsicherheitskurs beim ÖAMTC gemacht“, hielt sein Rechtsvertreter fest.

Aufgabe des Burschen war es, teilweise im Kugelhagel durchs Kampfgebiet zu fahren und Verletzte aufzulesen. „Ihm ist ausdrücklich gesagt worden, dass er auch abgerissene Gliedmaßen mitnehmen soll, weil man die wieder annähen kann“, so Anwalt Tomanek.

Auftritt in Propagandavideo

Auf Geheiß seines Kommandanten trat der Bursch Anfang Oktober 2014 in einem in einem syrischen Schlachthaus gedrehten Propagandavideo in Erscheinung, das via Facebook verbreitet wurde. Darin verkündete der Minderjährige unter anderem: „Wir haben uns heute hier versammelt, um die Schafe zu schlachten, und ich will euch dazu einladen, auch die Kuffar (Ungläubigen, Anm.) zu schlachten.“ Und weiter: „Kommt her zum Islamischen Staat. Nur hier findet ihr Ehre und Allah.“

Seinem Mandanten sei aufgetragen worden, dieses Video zu drehen, erläuterte Tomanek. Dem 16-Jährigen sei gar nichts anderes übrig geblieben, als dem nachzukommen: „Er hat gesehen, wie Leute ausgepeitscht wurden, die nicht gehorcht haben.“

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