Gratiszahnspange: In Wien drohen Probleme

Der Gratiszahnspange für Kinder und Jugendliche mit schweren Fehlstellungen könnten kurz vor dem Inkrafttreten am 1. Juli nun doch noch Probleme drohen. In Wien gibt es Schwierigkeiten mit der Ausschreibung der Kieferorthopäden, die sie anbieten sollen.

Vorgesehen ist, dass die Leistung österreichweit von 180 Kieferorthopäden erbracht werden soll. Die Ausschreibungen für die Vertragsstellen sollten bis Anfang April erfolgen, damit die Mediziner ab 1. Juli auf Kassenleistung die Zahnspangen anpassen können. In Wien gibt es aber dem Vernehmen nach eine Diskussion um Reihungskriterien. Hier sind 32 Vertragskieferorthopäden vorgesehen. Darüber soll nun am Montag eine Verhandlungsrunde zwischen der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und der Zahnärztekammer stattfinden.

„Entscheidend ist, dass die Zahnärzte gewisse Voraussetzungen erfüllen müssen, etwa eine Zusatzausbildung im Ausland oder im Inland speziell für Zahnspangen. Sie müssen auch nachweisen, dass sie in der Vergangenheit schon Erfahrungen mit Zahnspangen haben“, sagte Bernhard Wurzer, stellvertretender Generaldirektor im Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

Auswirkungen auf ganz Österreich?

Für den Fall, dass es in Wien zu keiner Lösung kommen sollte, könnte der rechtzeitige Start der Gratiszahnspange in ganz Österreich wackeln. In dem zwischen dem Hauptverband und der Zahnärztekammer unterzeichneten Vertrag ist nämlich festgeschrieben, dass es zumindest 150 Vertrags-Kieferorthopäden geben muss. Sollten die 32 in Wien nicht zustande kommen, wäre die notwendige Gesamtzahl für ganz Österreich um zwei unterschritten.

Zahnspange

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Fehlstellung der Stufe fünf

Zahnspangen nur für ganz massive Fehlstellungen

Fehlstellungen der Zähne werden auf einer fünfteiligen internationalen Skala eingestuft. Die Gratiszahnspange, eines der zentralen Wahlversprechen der SPÖ, wird es nur für die Stufen vier und fünf geben, also für ganz massive Fehlstellungen.

Auch in der Stufe vier steht den Patientinnen und Patienten noch eine Zahnspange zum Nulltarif zu. Ob Anspruch besteht, entscheiden in Zukunft die Ärzte und nicht die Krankenkassen. Streitfälle sind wohl vorprogrammiert. „Es gibt mehrere Sicherheitsventile, damit es zu keinem Doktorhopping kommt. Ein Zahnarzt sieht, ob der Patient schon bei einem anderen Zahnarzt war, der das anders beurteilt hat. Wir können ihn dann auch sperren lassen, sodass es nicht dazu kommt, dass ein Versicherter so lange zum Zahnarzt geht, bis er einen findet, der das für ihn positiv beurteilt“, sagte Wurzer.

Behandlung bei Vertragsarzt Voraussetzung

Grundsätzlich gibt es die Gratiszahnspange nur für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. Kinder von sechs bis zehn Jahren mit schweren Fehlstellungen steht eine abnehmbare Spange zu. Zwölf- bis 18-Jährige bekommen eine festsitzende Zahnregulierung, allerdings nur die billigeren Varianten aus Metall. Die Patientinnen und Patienten müssen zu einem der 32 Vertragsärzte - die für Wien noch bestimmt werden müssen - gehen.

Die Zahnspangen zum Nulltarif soll es - sofern es eine Einigung mit den Vertragsärzten gibt - ab 1. Juli geben. Insgesamt stehen 80 Millionen Euro pro Jahr dafür zur Verfügung.

Wer zahlt Folgebehandlungen?

Der Verband der Kieferorthopäden vermisst allerdings ein Gesamtkonzept. „Patienten, denen Zähne fehlen, brauchen dann auch Implantante, Brücken oder anderen Zahnersatz. Wenn sie schon die Kieferorthopädik nicht bezahlen können, befürchten wir, dass sie sich den zweiten Teil nicht leisten können. Das sollte im Gesamtkonzept berücksichtigt werden“, sagt die Kieferorthopädin Silvia Silli.

FPÖ und NEOS sehen „Murks“

FPÖ und NEOS haben sich wegen der Schwierigkeiten rund um die Gratis-Zahnspange in Wien auf den früheren Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) eingeschossen. Die Freiheitlichen orten einen „Komplett-Murks“, für die NEOS war das Projekt von Anfang an „ein politischer Marketing-Gag“.

Stögers Gratis-Zahnspange „braucht selbst eine Regulierung, die Fehlstellungen sind gravierend“, kritisierte FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein in einer Aussendung. Der damalige Minister sei die Sache unprofessionell und undurchdacht angegangen. Das Gesundheitsministerium müsse sich bei den Verhandlungen zwischen der Wiener Gebietskrankenkasse und der Zahnärztekammer einbringen, forderte sie.

Das Projekt „war nie durchdacht“, betonte auch NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Beispielsweise habe es keine Bedarfserhebung, sondern nur Schätzungen gegeben, was einen kostenmäßigen „Blindflug“ bedeute, sagte er zur APA.

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