Alijew-Prozess: „Mordmotiv war Geld“

Unter enormen Sicherheitsvorkehrungen ist am Dienstag der Mordprozess gegen zwei Weggefährten von Rachat Alijew eröffnet worden. Die Anklägerin sprach von einem „klassischen Mordmotiv, nämlich Geld“. Die Verteidiger sahen eine „konstruierte Tat des kasachischen Geheimdienstes“.

Die Anklage höre sich „streckenweise wie ein Hollywood-Film an. Ich muss Ihnen aber leider sagen, dass diese Dinge passiert sind“, so Staatsanwältin Bettina Wallner in ihrem Eröffnungsplädoyer am Dienstag. Alijew habe sich als Mehrheitseigentümer der Nurbank vom Bankvorstand betrogen gefühlt. Zwei Vorstände hätten hinter seinem Rücken Kredite vergeben, Provisionen eingestreift und damit der Bank erheblichen Schaden zugefügt. Einer dieser beiden Vorstände war Zholdas Timralijew, einer der beiden ermordeten Banker. Der zweite Ermordete ist Aibar Chasenow, der Verwaltungsleiter der Bank.

Der Anklageschrift zufolge sollen die Banker am 9. Februar 2007 umgebracht worden sein, nachdem sie Alijew betäubt hatte. Alijew sei jedoch nicht der alleinige Täter: „Zu dritt schmiedeten sie den Tatplan“, sagte Wallner und meinte damit die beiden nun angeklagten Weggefährten Alijews: Alnur Mussajew, Ex-Chef des kasachischen Geheimdienstes, und Vadim Koschlyak, der bei der kasachischen Präsidentenwacht beschäftigt war.

Man habe die Banker auf ein Firmengelände Alijews geschafft, ihnen Plastiksäcke über die Köpfe gestülpt und sie anschließend mit einer Schnur erdrosselt. Die sterblichen Überreste der verschwundenen Banker wurden erst am 12. Mai 2011 auf einer Mülldeponie in der Nähe der Remisovka-Schlucht bei Almaty in mehreren Metern Tiefe in mit gelöschtem Kalk gefüllten Metallfässern gefunden.

Doppelte Sicherheitskontrollen

Die Sicherheitsmaßnahmen für den Prozess sind enorm: Im Landesgericht wurden doppelte Sicherheitskontrollen eingeführt. Immerhin ist der Tod des ursrpünglich Hauptangeklagten Alijew auch noch nicht restlos geklärt - mehr dazu in Alijew: Suizid bestätigt.

Vor dem Schwurgerichtssaal standen WEGA-Beamte mit Hunden und Sturmgewehren - mehr dazu in Tag Eins im Alijew-Prozess (oe1.ORF.at). Der Große Schwurgerichtssaal war zum Verhandlungsauftakt gut besucht, unter den rund 100 Zuhörern waren neben vielen österreichischen auch einige ausländische Journalisten - und Ardak Khasenova, die Tochter eines ermordeten Bankmanagers.

Großer Schwurgerichtssaal

ORF.at/Roland Winkler

Der Aufwand für den Prozess ist riesengroß. „Das Schwurgericht ist jetzt für 26 Prozesstage angesetzt. Es sind drei Sachverständige geladen. Es werden über 60 Zeugen gehört werden, und mehr als zehn Dolmetscher für die russische Sprache wurden bestellt“, sagte Gerichtssprecherin Christina Salzborn gegenüber dem ORF-Radio. Auch die Kantine im Landesgericht stockte ihre Vorräte auf.

„Lügengeschichte“ aus Kasachstan

Die Anwälte der beiden Angeklagten wiesen die Vorwürfe der Anklage scharf zurück. Martin Mahrer, der Verteidiger von Alnur Mussajew, bezeichnete sie als eine in Kasachstan erfundene „Lügengeschichte“. Die kasachischen Banker seien in Wahrheit „von der Führungsriege des kasachischen Geheimdiensts“ getötet worden, im Auftrag von Präsident Nursultan Nasarbajew - Alijews Ex-Schwiegervater. Die Angeklagten seien „politisch Verfolgte“. Alijew habe seinen Ex-Schwiegervater zu politischen Reformen bewegen wollen und sich damit dessen Unmut zugezogen.

Bei seinem Mandanten sei von kasachischer Seite zunächst abgewartet worden, ob dieser Alijew belasten werde oder nicht, sagte der Verteidiger von Vadim Koshlyak, Walter Engler. „Wenn er ihn belastet hätte, würde er nicht hier sitzen, sondern wäre wahrscheinlich kasachischer Vizeaußenminister“, hielt Engler fest. Nunmehrige Belastungszeugen habe man in Kasachstan „massiv beeinflusst, gefoltert“, so Engler.

Auch an den österreichischen Behörden übten die Anwälte Kritik: Die Staatsanwaltschaft Wien habe auf eigene Ermittlungen in Kasachstan verzichtet, kritisierte Engler. Die Staatsanwaltschaft hatte diesen Vorwurf bereits in ihrem Plädoyer zurückgewiesen. „Kasachstan bietet viele Rohstoffe, vor allem Erdöl und Erdgas. Auf politischer Ebene will man es sich mit solchen Ländern nicht verscherzen“, so Mahrer bereits im Vorfeld zu „Wien heute“ - das sei ein Grund, warum es überhaupt zu der Mordanklage gekommen sei.

Großer Schwurgerichtssaal

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Der Prozess findet im Großen Schwurgerichtssaal statt

Reisebüro für Anreise der Zeugen engagiert

Gerald Ganzger vertritt die Witwen der Opfer. Auch gegen sie wird ermittelt, weil sie für den kasachischen Geheimdienst arbeiten sollen. „Die Opfer haben wirklich mit unserer Hilfe Jahre gekämpft. Und man kann sich gar nicht vorstellen, was das für die beiden Witwen bedeutet. Sie haben endlich die Gelegenheit, auch den mutmaßlichen Mördern in die Augen sehen zu können“, sagt Ganzger gegenüber dem Ö1-„Morgenjournal“ - mehr dazu in Alijew-Prozess beginnt (oe1.ORF.at).

Die Anreise der Zeugen aus Kasachstan organisiert ein Reisebüro, das vom Anwalt Richard Soyer engagiert wurde. Sein Büro vertritt die kasachische Generalstaatsanwaltschaft, die den Prozess im Großen Schwurgerichtssaal genau beobachten wird. Das Gericht plant aber auch Einvernahmen per Videokonferenz - etwa mit Zeugen, die in Kasachstan im Gefängnis sitzen. Dort soll es Befürchtungen geben, sie könnten sonst in Österreich um Asyl ansuchen.

Acht Österreicher müssen entscheiden

Entscheiden müssen in diesem hochkomplexen Fall nicht Richter, sondern acht Geschworene - also ganz normale österreichische Staatsbürger. Die Verhandlung ist bis zum 19. Juni ausgeschrieben. Ob es an diesem Tag schon ein Urteil geben wird, ist aber mehr als fraglich. Es sind weitere Beweisanträge der Verteidiger zu erwarten. Im Fall eines Schuldspruchs droht den beiden Angeklagten eine Haft von zehn bis 20 Jahren oder lebenslange Haft. Sie werden am Mittwoch erstmals befragt.

In Kasachstan ist der Gerichtsprozess in Wien zwar kein Thema, das in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird, Politologen, Menschenrechtsaktivisten und die wenigen regierungsunabhängigen Journalisten verfolgen den Fall dennoch gespannt, geht es doch um Ereignisse, die den innersten Machtzirkel des Landes betreffen - mehr dazu in Der Machtzirkel in Kasachstan (oe1.ORF.at).

Alijews Witwe begrüßte Mordprozess in Wien

Alijews Witwe begrüßte den Mordprozess in Wien. Ihr Mann habe das Verfahren als Bühne nutzen wollen, um die „Wahrheit über die verabscheuenden Praktiken“ des kasachischen Regimes ans Licht zu bringen, teilte Elnara Shorazova am Dienstag über ihren Anwalt Erich Gemeiner mit. Den Witwen der beiden ermordeten Bankmanager sprach sie in der Erklärung ihr Mitgefühl aus. Diese seien wie ihr verstorbener Mann und sie "Opfer des Regimes unter Präsident Nasarbajew“.

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