Alijew-Prozess: „Aussagen gefälscht“

Im Alijew-Prozess um die Ermordung zweier kasachischer Banker sind am Mittwoch die beiden Angeklagten befragt worden. Der kasachische Ex-Geheimdienstchef Alnur Mussajew bekannte sich dabei nicht schuldig, die Aussagen gegen ihn seien gefälscht.

„Ich erkläre mich unschuldig“, stellte Mussajew klar. Er wird beschuldigt, sich am 9. Februar 2007 in der Residenz des kasachischen Ex-Botschafters Rachat Alijew aufgehalten zu haben und persönlich dabei gewesen zu sein, als die entführten Banker umgebracht wurden. Die Angaben der Zeugen, die ihn am Tatort gesehen haben wollen, seien unwahr, so Mussajew: „Ich war in dieser Zeit in meiner Wohnung. Es gibt mehrere Personen, die das bestätigen.“ Vom Schicksal der beiden ermordeten Banker habe er erst in Österreich erfahren.

Zu internen Vorgängen in der Nurbank, die zu dem Doppelmord geführt haben sollen, bemerkte Mussajew, vom Hörensagen wisse er, dass Vorstandsmitglieder Vermögen in ihren Besitz gebracht hätten. Alijew habe den Vorstandsvorsitzenden der Bank aufgefordert, dieses zurückzugeben. „All das passierte in friedlicher Atmosphäre“, so Mussajew. Die Anklage sieht das anders - mehr dazu in Alijew-Prozess: „Mordmotiv war Geld“.

Bilder vom Prozessauftakt am Dienstag:

Telefonat belastet Mussajew

Die Anklage gegen Mussajew stützt sich unter anderem auf ein Telefonat, das er mit einem Zeugen über Skype geführt hatte und aus dem sich ergeben soll, dass Mussajew den Ort kannte, am dem die Leichen der getöteten Banker vergraben wurden – noch bevor sie offiziell gefunden worden waren. „Ich wusste nicht, wo die Leichen vergraben sind“, gab der 61-Jährige dazu an. Er habe den Fundort erst von einem Agenten erfahren. Das ihn belastende Telefonat sei zudem manipuliert worden.

Mussajew hatte sich - wie auch Alijew - nach Österreich abgesetzt, weil er befürchtete, in seiner Heimat strafrechtlich verfolgt zu werden. Er wurde 2008 in Kasachstan in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt. In Wien wurde zwei Mal versucht, ihn zu entführen. 2009 gab er der „Kronen Zeitung“ ein Interview in den Räumlichkeiten der Wiener Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner, die die Witwen der getöteten Banker vertritt – das sei von ihm verlangt worden. Darin bestätigt Mussajew - gemäß seiner nunmehrigen Versicherung wider besseren Wissens -, sämtliche Vorwürfe gegen Alijew wären zutreffend.

Richter kritisierte Staatsanwaltschaft

Am Nachmittag arbeitete Staatsanwältin einen umfangreichen Fragenkatalog ab und war an kleinsten Details interessiert. Nach rund eineinhalb Stunden stellte der Richter das Vorgehen der Staatsanwältin infrage. Er ortete „sinnlose Vorhalte“ und ließ einige Fragen nicht mehr zu. Die Staatsanwältin rechtfertigte sich, indem sie darauf verwies, es sei „im Interesse der Angeklagten und der Familie der Opfer“, alles umfassend zu klären. „Ich bin schon müde“ sagte der Angeklagte, bevor die Befragung abgebrochen wurde.

Das Interesse am zweiten Prozesstag war überschaubar, etliche Sitzreihen im Publikumsbereich des Großen Schwurgerichtssaals blieben leer. Der Prozess startete am Dienstag mit enormen Sicherheitsvorkehrungen. Immerhin ist der Tod des ursrpünglich Hauptangeklagten Alijew auch noch nicht restlos geklärt - mehr dazu in Alijew: Suizid bestätigt. Vor dem Schwurgerichtssaal standen WEGA-Beamte mit Hunden und Sturmgewehren - mehr dazu in Tag eins im Alijew-Prozess (oe1.ORF.at).

„Lügengeschichte“ aus Kasachstan

Nach dem mutmaßlichen Tod Alijews stehen nun zwei seiner Weggefährten vor Gericht: Mussajew und Wadim Koschljak, der bei der kasachischen Präsidentenwacht beschäftigt war. Sie werden beschuldigt, an der Entführung und Ermordung von zwei kasachischen Bankern beteiligt gewesen zu sein. Die Ermordeten sind Scholdas Timralijew, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Nurbank, und Aibar Chasenow, der Verwaltungsleiter der Bank.

Die Anwälte der Angeklagten wiesen die Vorwürfe der Anklage bereits am Dienstag scharf zurück. Martin Mahrer, der Verteidiger von Mussajew, bezeichnete sie etwa als eine in Kasachstan erfundene „Lügengeschichte“. Die kasachischen Banker seien in Wahrheit „von der Führungsriege des kasachischen Geheimdiensts“ getötet worden, im Auftrag von Präsident Nasarbajew. Die Angeklagten seien „politisch Verfolgte“. Alijew habe seinen Ex-Schwiegervater zu politischen Reformen bewegen wollen und sich damit dessen Unmut zugezogen.

Acht Österreicher müssen entscheiden

Entscheiden müssen in diesem hochkomplexen Fall nicht Richter, sondern acht Geschworene - also ganz normale österreichische Staatsbürger. Die Verhandlung ist bis zum 19. Juni ausgeschrieben. Ob es an diesem Tag schon ein Urteil geben wird, ist aber mehr als fraglich. Es sind weitere Beweisanträge der Verteidiger zu erwarten. Im Fall eines Schuldspruchs droht den beiden Angeklagten eine Haft von zehn bis 20 Jahren oder lebenslange Haft.

Der Aufwand für den Prozess ist riesengroß. „Das Schwurgericht ist jetzt für 26 Prozesstage angesetzt. Es sind drei Sachverständige geladen. Es werden über 60 Zeugen gehört werden, und mehr als zehn Dolmetscher für die russische Sprache wurden bestellt“, sagte Gerichtssprecherin Christina Salzborn gegenüber dem ORF-Radio. Auch die Kantine im Landesgericht stockte ihre Vorräte auf. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

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