Mehr Schüler mit Deutschproblemen

Rund 60 Prozent aller 100.000 Pflichtschüler in Wien haben nicht Deutsch als Muttersprache. Das führt zu Sprachproblemen in den Schulen. Die SPÖ will auf Sprachförderung im Kindergarten setzen, die ÖVP über „Ausländerklassen“ diskutieren.

Rund 12.000 Schüler sind, weil sie nicht Deutsch als Muttersprache haben, außerordentliche Schüler. Sie werden daher nur teilweise benotet und in Deutsch gefördert. Das zeigt eine Anfragebeantwortung durch SPÖ-Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch, die auch der „Standard“ zitiert - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Entwicklung „Riesenproblem“

Die Zahl der außerordentlichen Schüler sei seit dem Schuljahr 2010/2011 von knapp 8.000 um mehr als die Hälfte gestiegen - bei nur leicht gestiegener Gesamtschülerzahl. Eine falsche Entwicklung nannte das ÖVP-Gemeinderätin Isabella Leeb. Sie stellte die Anfrage gemeinsam mit Parteikolleginnen an Oxonitsch. „Das ist schon ein Riesenproblem und das muss man lösen“, so Leeb.

Migrantenkinder hätten nicht die besten Chancen, Deutsch zu lernen. In der Wiener Bildungspolitik werde das Geld fehlgeleitet, sagte die schwarze Gemeinderätin im Vorwahlkampf an die Adresse von Rot-Grün gerichtet. „Ich beziehe mich auf die Gratisnachhilfe-Sprachförderlehrerinnen. Es wird bereits jetzt einiges getan, aber offensichtlich eben nicht das Richtige“, so Leeb.

Eigene Klassen für Quereinsteiger

Die Schulen sollten selbst entscheiden, wie betroffene Kinder gefördert werden, so Leeb. Für solche, die während des Schuljahres nach Österreich kommen, wünscht sich die ÖVP-Gemeinderätin eigene Gruppen, die mehrere Wochen oder Monate dauern, bevor die Kinder am eigentlichen Unterricht teilnehmen. Leeb: „Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man speziell für Quereinsteiger sogenannte Vorbereitungsklassen macht.“ Dafür machte sich auch schon ÖVP-Integrationsminister Sebastian Kurz stark.

Entwicklung in Wien

In den vergangenen 14 Jahren stieg die Anzahl der Schüler mit anderer Erstsprache als Deutsch von 38.563 (2000/2001) auf 60.743 (2014/2015) sowie die Anzahl der außerordentlichen Schüler von 10.844 auf 12.090.

Brandsteidl fordert mehr Ressourcen

Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ) versteht die Aufregung nicht. „Es ist ein Faktum, dass wir erstens mehr Schüler haben und zweitens, dass sich die Population verändert hat.“ Für eine bessere Förderung der außerordentlichen Schüler werden laut Brandsteidl mehr Ressourcen benötigt.

„Wir sind ja gegen reine Ausländerklassen, wie es die ÖVP fordert. Aber ich bin sehr dafür, dass wir weiter neue Intensivkurse machen, wo die Kinder eine bestimmte Anzahl, ungefähr die Hälfte der Unterrichtsstunden, speziell herausgenommen werden“, so Brandsteidl gegenüber Radio Wien. In diesen Stunden lernen sie Deutsch und das „Leben in Wien“ - beispielsweise das Fahren mit der U-Bahn.

Sprachförderung „nicht bedarfsorientiert“

Ein Problem sieht Brandsteidl darin, dass die Zuteilung von Sprachförderkursen und Ressourcen vom Bund an die Anzahl der außerordentlichen Schüler geknüpft ist. Da die Kinder diesen Status meist nur ein oder zwei Jahre haben, ist diese Verknüpfung für Brandsteidl „nicht sinnvoll“. Brandsteidl fordert eine bedarfsorientierte Förderung. In Richtung ÖVP sagte Brandsteidl: „Die ÖVP hat vor wenigen Tagen gegen den Ausbau der Ganztagsschule gestimmt. Wir sind aber dafür, dass gerade jene Kinder, die außerordentliche Schüler sind, natürlich den ganzen Tag in die Schule sind, weil sie dann den ganzen Tag in einem deutschsprachigen Umfeld sind.“

Oxonitsch: Sprachförderung im Kindergarten

Für Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) zeigt die Debatte über außerordentliche Schüler, dass es wichtig gewesen sei, „dass Wien auf die Verdoppelung der Mittel für Sprachförderung im Kindergarten gedrängt hat“. Die Zahl der Sprachförderassistenten werde nun verdoppelt, hieß es in einer Stellungnahme. Gleichzeitig nahm er die ÖVP in die Pflicht.

Wenn Leeb sich bei diesem Thema wirklich engagieren möchte, könne sie „sofort etwas tun“: Einerseits solle sie sich gemeinsam mit der Stadt dagegen wehren, dass Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) den Schulen 300 Mio. Euro streiche und damit auch einen Ausbau der Sprachförderung verhindere. Zudem sei auch ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin gefordert, denn die 15a-Vereinbarung zum letzten verpflichtenden Kindergartenjahr laufe in wenigen Wochen aus. „Gerade dieses letzte Jahr ist aber für die Sprachkompetenz und den Übergang in die Schule besonders wichtig“, so Oxonitsch.

FPÖ: „Deutsch vor Schule“

Die Wiener Grünen sprachen sich am Dienstag ebenfalls gegen „Ausländerklassen“ aus: „Kinder in Wiener Schulen sprechen aktuell über 80 verschiedene Sprachen. Dies ist ein ungeheures Potenzial und keineswegs eine Last“, so Rathaus-Klubobmann David Ellensohn in einer Aussendung. Schüler stundenweise aus dem Klassenverband herauszulösen, etwa während sprachorientierter Fächer, ergebe hingegen „durchaus Sinn“. Auch zusätzliche Deutschintensivlerneinheiten am Nachmittag sind für die Grünen denkbar.

Der Wiener FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus verlangte in einer Aussendung, die langjährigen Forderungen der FPÖ „Deutsch vor Schule“ und „Deutsch als Pausensprache“ „endlich zu realisieren, um die Integration in den Bildungsstätten zu forcieren“.

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