Neuer Donausteg für Rollstuhlfahrer „zu steil“

Fast 4,8 Millionen Euro hat der Judith-Deutsch-Steg gekostet. Er verbindet die Leopoldstadt mit dem Donauufer und ist eine langjährige Forderung der Bewohner. Der Steg sei aber nicht behindertengerecht, kritisieren Rollstuhlfahrer, die Rampen seien zu steil.

Vergangene Woche wurde der Judith-Deutsch-Steg mit einem Grätzlfest eröffnet. Der Steg überquert den Handelskai und die Donauländebahn und besteht aus mehreren Bauteilen. Auf der Seite der Holubstraße führt ein wendelförmiger Aufgang zum eigentlichen Steg. Auf der Donauuferseite befindet sich eine Verweilplattform. Über eine weitere Rampe bzw. über einen Stiegenabgang erreichen Fußgänger und Radfahrer das Donauufer.

Judith-Deutsch-Steg

Stadt Wien

Der Steg ist 278 Meter lang und hat eine durchschnittliche Nutzungsbreite von 3,5 Metern. „Der neue Steg ist barrierefrei und entspricht den neuesten Qualitätsstandards für den FußgängerInnen-Verkehr“, heißt es in einer Aussendung der Stadt.

„Man kriegt einen Krampf im Daumen“

Einige Betroffene empfinden das nicht so. Gegenüber „Wien heute“ erzählen Rollstuhlfahrer, dass ihnen die Rampen zu steil sind. Karin Czvitkovics etwa sagt, dass ihr schon nach wenigen Metern die Puste ausgeht. Auch ihrem Begleiter würde es schwerfallen, den Rollstuhl die Rampe hinaufzuschieben. „Man kriegt einen Krampf im Daumen, weil man mit extrem viel Kraft arbeiten muss. Das ist alleine überhaupt nicht zu bewältigen“, meint die Dame im Rollstuhl. „Das Problem liegt nicht nur im Raufkommen, man muss runterkommen auch wieder. Sie müssen das ‚derbremsen‘, das ist ein gefährlicher Moment“, erklärt ihr Begleiter Hans Gero Planitzer.

Rollstuhlfahrerin

ORF

Judith Deutsch war in der Zwischenkriegszeit eine begnadete Schwimmerin der jüdischen Hakoah. Weil sich Sportlerin des Jahres 1935 weigerte, zu den Olympischen Spielen nach Berlin zu fahren, wurde sie aus dem Schwimmverband geworfen und musste vor den Nazis fliehen. Erst in den 1990er-Jahren wurde sie vom Verband rehabilitiert.

Christiane Link vom Verein „Bizeps“ maß die Steigung nach. Die Oenorm lässt sechs Prozent Steigung zu. Sie kam aber auf Steigungen von bis zu 8,4 Prozent. „Wenn man Selbstfahrer ist, geht das ohne Hilfe überhaupt nicht. Ansonsten muss man jemanden um Hilfe bieten, aber das ist ja keine Lösung.“

Auch die MA 29, die für Brückenbau zuständig ist, überprüfte nach der Kritik die Steigung der Rampe noch einmal. Das Bauwerk entspreche den gesetzlichen Vorschriften, sagt Hermann Papouschek, Leiter der MA 29. „Mit unserem Messmethoden haben wir festgestellt, dass wir absolut unter der Norm liegen.“ Er zeigt aber Verständnis für die Kritik der Rollstuhlfahrer. „Ich werte es nicht als Vorwurf, sondern als Input. Bauwerke mit multifunktionaler Nutzung müssen immer auf mehrere Bedürfnisse eingehen müssen. Es ist bedauerlich, dass es Personen gibt, die diesen Höhenunterschied nicht bewältigen können.“

Einbau eines Lifts nicht geplant

„Die gesetzlichen Vorgaben sind mir egal. Die Herrschaften sollten sich in einen Rollstuhl setzen und schauen, wie sie die gesetzlichen Vorgaben erfüllen können“, sagt Planitzer. Auch beim Verein „Bizeps“ ist man skeptisch und möchte den Steg noch einmal nachmessen lassen. „Wir werden bei Bedarf gerne eine rechtliche Prüfung initiieren“, kündigte Obmann Martin Ladstätter am Mittwoch per Aussendung an. Der nachträgliche Einbau eines Lifts ist laut Stadt Wien nicht geplant.

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