Hakenkreuze in Uni-Büchern sollen bleiben

In der Bibliothek der Universität Wien finden sich derzeit über 65.000 Bücher aus der NS-Zeit, die einen Stempel mit Hakenkreuz tragen. Sie sorgen immer wieder für Aufregung unter den Studierenden. Doch die Stempel sollen laut Universität bleiben.

Einige Studenten stoßen bei ihrer Suche nach einem Buch, in den Bibliotheken der Universität Wien, immer wieder auf Bücher die einen nationalsozialistischen Stempel tragen. Dies löst bei vielen Studierenden Unbehagen aus. „Jedes Semester erhalten wir Anfragen von betroffenen Studenten“, sagt Markus Stumpf, Leiter der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte gegenüber wien.ORF.at.

NS Stempel in Buch

Universität Wien

Stempel der Nationalsozialisten

Ein Student twitterte ein Foto von einem Universitätsbuch das einen NS-Stempel trägt, mit dem Kommentar „Eh muss das sein? das sollte schnell korrigiert werden.“ Darauf reagierte die Universität vor kurzem mit einem Artikel auf dem Blog der Uni Wien, dieser wurde bereits öfters angeklickt als je ein Beitrag zuvor.

Zwischen 1938 und 1945 gelangten 65.000 Bücher an die Universitätsbibliothek Wien und befinden sich noch immer in deren Besitz. Diese Bücher wurden von den Nationalsozialisten gekennzeichnet, seitdem haben sie drei Stempel mit Reichsadler und Hakenkreuz. Auch nach dem Jahr 1945 sind noch weitere Bücher an die Universitätsbibliothek gekommen, die auch den NS-Stempel enthielten. „Wie viele es genau sind, wissen wir nicht“, sagt Stumpf.

Aufklärung über NS-Stempel in Büchern wichtig

Stumpf kann das Unbehagen der Studenten zwar verstehen, trotzdem sei es aber gut, dass die Bücher nach wie vor die Stempel enthalten. „Die Bücher sind als historische Dokumente zu verstehen. Das darf und muss man auch am Buch selbst erkennen, auch wenn das vielleicht unangenehm ist“, sagt Stumpf.

Laut dem Leiter der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte sollte diese Zeit nicht einfach ausgeklammert werden. Eine Aufklärung warum Bücher diese Stempel enthalten sei wichtig. „Das ist nun mal Teil der Geschichte. Das wichtige ist das Sprechen darüber und das Thematisieren, damit schafft man eine Sensibilisierung.“ Es sei wichtig zu wissen „Welches Wissen stand wann, wo, wem zur Verfügung?“ und auch, dass jene Bücher in der NS-Zeit an die Universitätsbibliothek gelangten. Um dies einordnen zu können, benötige man die Stempel.

Markus Stumpf Leiter der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte

ORF / Laura Schrettl

Uni Wien: NS-Stempel entfernen nicht angebracht

Einige Studenten fordern eine Entfernung der Stempel. Darin sieht Stumpf aber keinen Sinn. Nicht nur weil keine Ressourcen vorhanden seien um 65.000 Stempel zu entfernen, es sei auch nicht angebracht. „Erstens wollen wir die Information erhalten und zweitens denke ich, ist es schon zulässig sich damit auseinanderzusetzten welche Maßnahmen Nationalsozialisten gesetzt haben.“ Durch überstempeln, ausschneiden oder durchstreichen des Stempels sei keine Form der Wiedergutmachung zu erreichen, dies wäre nur ein Versuch die NS-Zeit auszuklammern.

Nazis verbannten Bücher
In der NS-Zeit wurden verfolgte Personen tausender Bücher beraubt. Das Raubgut wurde von den NS-Behörden verteilt, weiterverkauft oder als unerwünschtes Kulturgut der Öffentlichkeit unzugänglich gemacht.

„Es ist natürlich ein Problem. Klarerweise, niemand will diese Zeichen des NS-Staates sehen. Es ist unangenehm wenn man in einer Goethe oder Stefan Zweig Ausgabe diese Stempel findet, trotzdem sind sie nun mal in dieser Ausgabe drinnen. Jedes Buch hat seine Geschichte, die darf und soll man auch erkennen. Wir verstehen uns auch als Kulturbetrieb und wollen das Wissen auch für die nächste Generation an Studierenden weitertragen", sagt Stumpf.

Der Blogeintrag soll die Position der Universitätsbibliothek schildern. „Vielleicht gibt es auch eine bessere Variante, die uns noch nicht eingefallen ist", sagt Stumpf. Bisher habe sich noch niemand gemeldet.

18 Familien konnten Bücher zurückgegeben werden

Nach vereinzelten Restitutionen in der Nachkriegszeit begann die Universitätsbibliothek Wien 2004 als erste Universitätsbibliothek in Österreich mit der Suche und Restitution von Raubgut aus der NS-Zeit. 2009 war die erste Rückgabe, seitdem wurden in 18 Fällen Bücher an die Erben zurückgegeben.

Die letzte große Rückgabe seien Bibliotheksteile und Archivalien von Guido Adler, einem Musikwissenschaftler 2013 gewesen. „Schön war eine unserer ersten Rückgaben, das war eine sehr betagte 90-jährige Dame. Sie hat von den zurückgegeben Büchern bis auf eines, alle wieder der Universitätsbibliothek geschenkt und eines als Erinnerungsstück behalten. Das war schon sehr berührend", sagt Stumpf.

Für die Identifizierung eines Buches helfen laut Stumpf Exlibris, handschriftliche Vermerke oder Namenseinträge. "Schwieriger ist dann die Erbensuche, wenn Überlebende da sind, sind die Familien meist sehr zerstreut. Und die ganze Arbeit wegen einem Buch, da geht es im Normalfall nicht um materielle Werte sondern ideelle. Trotzdem ist es ganz wichtig, das zu machen.“ Laut Stumpf wird bei jedem Ankauf der Bibliothek, beispielsweise von Antiquariaten darauf geachtet, dass keine enteigneten Bücher gekauft werden.

Laura Schrettl, wien.ORF.at

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