Causa Meinl: Klage in Amsterdam möglich

Acht Jahre nach dem beispiellosen Kurssturz bei der Immobilienfirma Meinl European Land (MEL, jetzt Atrium) können sich geschädigte Kleinanleger an einer Sammelklage gegen die MEL-Nachfolgefirma Atrium in den Niederlanden beteiligen. Kosten fallen für sie dort keine an.

Der Wiener Anwalt Eric Breiteneder macht den Geschädigten Hoffnung, 70 bis 80 Prozent ihres Schadens zurückzubekommen. Den Gang in die Niederlande wählte Breiteneder, der selbst rund 150 MEL-Geschädigte vertritt, deshalb, weil es dort - im Gegensatz zu Österreich - kostengünstige und konsumentenfreundliche Massenverfahren gibt und Atrium seinen administrativen Sitz in Amsterdam habe.

Atrium: Niederländische Gerichte nicht zuständig

Atrium sieht das anders: Die Gesellschaft sei auf der Kanalinsel Jersey ansässig, daher seien niederländische Gerichte nicht zuständig, so ein Sprecher zur APA. Generell sei Atrium der falsche Klagsadressat. Breiteneder versuche lediglich erneut, die österreichischen Gerichte zu umgehen, nachdem er mehrere Niederlagen erlitten habe.

„Die österreichischen Gerichte haben in ihren Entscheidungen in Zivilverfahren gegen Atrium - die offenbar Basis für das Vorgehen der Kanzlei Breiteneder darstellen - wiederholt zugunsten von Atrium entschieden“, so der Atrium-Sprecher mit Verweis auf mehrere Urteile des Obersten Gerichtshof (OGH).

Anwalt: „Zugang zum Recht für Normalbürger nicht da“

Anwalt Breiteneder ist der Ansicht, dass in Österreich „der Zugang zum Recht für Normalbürger nicht da“ sei, weil hierzulande in Anlegercausen extrem lange über Formalitäten gestritten werde und das Kostenrisiko enorm sei. Bei seiner größten Meinl-Klage mit einem Streitwert von 2,7 Mio. Euro seien nach vier Jahren mehr als 750.000 Euro an Kosten angefallen, an das Wiener Oberlandesgericht (OLG) habe seine Kanzlei in der Causa Meinl mehr als zwei Mio. Euro an Gerichtsgebühren gezahlt.

Dagegen gebe es in den Niederlanden ein Vorzeigemodell für effektiven Rechtsschutz: Das System des „collective redress“ ist ein zweistufiges Modell, das eine kollektive Vergleichsmöglichkeit sowie eine gerichtliche Feststellung der Anspruchsgrundlage beinhaltet.

Gesamtschaden schwer bezifferbar

Im Fall Atrium stützt sich Breiteneder da auf Haftung wegen irreführender oder unvollständiger Ad-hoc-Meldungen. Wenn die damalige MEL die Öffentlichkeit zum Beispiel ordentlich über die milliardenschweren Zertifikatsrückkäufe informiert hätte, hätten die Kleinanleger die Papiere nicht gekauft, so die Argumentation. Das Bekanntwerden der Rückkäufe hat letztendlich den MEL-Kurs in den Keller rasseln lassen. Zehntausende österreichische Kleinanleger hatten in MEL investiert, das Papier wurde als sichere Anlage verkauft, die es aber nicht war.

Der Gesamtschaden für die Anleger sei schwer bezifferbar, sagte Breiteneder. Er schätzt ihn auf 100 bis 200 Mio. Euro. Der Anwalt glaubt, dass es rund 60.000 Betroffene gibt. „Viele haben noch gar nichts unternommen.“ Dem Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Wien gegen Julius Meinl und andere Verantwortliche bei Meinl Bank und Co. haben sich rund 11.500 Anleger als Privatbeteiligte angeschlossen.

In den Niederlanden hat der Rechtsvertreter bereits im Oktober 2014 eine gemeinnützige Stiftung gegründet - diese ist notwendig, um ein Sammelverfahren zu führen, im Board sitzen internationale Anwälte. In der Folge habe es auch Vergleichsgespräche mit Atrium gegeben, die aber nicht gefruchtet hätten. Atrium habe zu wenig geboten. „Es war ein äußerst niedriger Prozentsatz, aber mehr als drei Prozent.“

„Es kann nur besser werden“

Am Mittwoch hat das Board der Stiftung beschlossen, in den kommenden Wochen eine Feststellungsklage gegen Atrium einzubringen. Dabei geht es lediglich darum, festzustellen, ob Atrium für irreführende MEL-Mitteilungen haftet oder nicht. Prozesse über die tatsächlichen Schäden wären erst der nächste Schritt - auch da gibt es mehrere Möglichkeiten: Eine individuelle Klage in Österreich oder in den Niederlanden oder eine Sammelklage in den Niederlanden. Der Vorteil: Sollte das niederländische Gericht eine Haftung Atriums feststellen, läge in den Folgeprozessen die Beweislast bei Atrium. Sprich, die Haftung an sich könnte de facto nicht mehr bestritten werden.

Wird die Feststellungsklage abgewiesen, hat das keine negativen Folgen für die Geschädigten in ihren bereits laufenden Einzelverfahren. „Es kann nur besser werden“, so Breiteneder. Seine Meinl-Mandanten, die sich in den vergangenen Jahren mit Gegnern - u. a. Meinl Bank, Finanzdienstleister - verglichen haben, hätten im Schnitt rund 70 bis 80 Prozent ihres Schadens ersetzt bekommen. So viel könnten Geschädigte auch durch das Verfahren in den Niederlanden bekommen.

Attrium will mögliche Sammelklage bekämpfen

Allerdings ist nicht klar, ob ein Vergleich in den Niederlanden allen MEL-Geschädigten zugute kommen würde. Jene 11.500 Personen, die bereits Privatbeteiligte im Strafverfahren sind, können laut Breiteneder auf jeden Fall hoffen. Bei den anderen könnten Ansprüche aber bereits verjährt sein. Zahlen müssen Anleger in den Niederlanden nichts. Die Stiftung haben zwei Mandanten Breiteneders finanziert, die selbst mit MEL viel Geld verloren haben. Im Fall, dass die Anleger gewinnen, müsste Atrium die Kosten übernehmen.

Atrium gab sich am Donnerstag gelassen: „Sollte jemals eine solche Sammelklage gegen Atrium eingebracht werden, wird Atrium diese mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen.“

Das Collective-Redress-Verfahren in den Niederlanden haben vor ein paar Jahren auch Shell-Aktionäre genutzt, die 2004 wegen eines Kurssturzes viel Geld verloren haben. Der Ölkonzern hatte Angaben über seine nachgewiesenen Ölreserven um mehr als ein Fünftel nach unten korrigieren müssen. Shell und die nicht-amerikanischen Anleger einigten sich 2007 auf einen Vergleich in Höhe von 263 Mio. Euro.