Ex-ORF-Generalintendant Gerd Bacher tot

Der frühere ORF-Generalintendant Gerd Bacher ist am Samstag im 90. Lebensjahr an den Folgen eines Schlaganfalls in Salzburg gestorben. 20 Jahre lang - mit Unterbrechungen - stand Bacher an der Spitze des Österreichischen Rundfunks und prägte die Medienszene.

Im Vorjahr hatte Gerd Bacher den Concordia-Medienpreis für sein Lebenswerk bekommen. Der Publizist Peter Huemer bezeichnete Bacher in seiner Laudatio damals als „Menschen mit Widerspruch“: „Er hat ganz bewusst den Eindruck erweckt, er wolle mit dem Kopf durch die Wand. Genau so wollte er gesehen werden. Gleichzeitig kannte er aber die österreichische Realverfassung und wusste, dass er nicht mit dem Kopf durch die Wand kommt. Jedenfalls meistens.“

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Nachruf von Ö1-Redakteur Wolfgang Werth

Ohne praktische Vernunft hätte Bacher schließlich nichts bewegen können, so Huemer: „Aber genau darum ging es ihm: etwas bewegen.“ Mit dem ORF habe Bacher viel zur Veränderung des Landes beigetragen.

Zeitungsjournalist und Herausgeber

Bacher wurde am 18. November 1925 in Salzburg geboren. Dort begann er auch seine Laufbahn als Journalist. 1954 wurde er nach Wien als Chefredakteur des neu gegründeten „Bild-Telegraf“ berufen, zwei Jahre lang - von 1958 bis 1960 - war er Chefredakteur des von ihm mitgegründeten „Express“.

Von 1967 bis 1975, von 1978 bis 1986 und von 1990 bis 1994 war Bacher ORF-Generalintendant. Ende der 80er Jahre fungierte er für kurze Zeit als Herausgeber der „Presse“, bevor er ein weiteres Mal an die ORF-Spitze gewählt wurde. „Alles wunderbar“ lautete sein Kommentar, nachdem er vom ORF-Kuratorium 1990 zum Generalintendanten gewählt worden war.

Kritischer Blick auf ORF

Auch in seiner Pension beschäftigte er sich intensiv mit dem ORF. Wenn Bacher mit den jeweils aktuellen Entwicklungen auf dem Küniglberg unzufrieden war, scheute er sich nicht vor deutlichen Worten. Von nachfolgenden Geschäftsführungen zeigte er sich in öffentlichen Statements regelmäßig enttäuscht. „Der ORF ist mein Kind. Von den Häusern über die Maschinen bis zu sehr vielen Menschen stammen alle von mir. Sogar der Name ist von mir. Mit dem ORF geht es mir wie mit einem Kind, das seine Talente verloren hat“, sagte er in einem Interview zu seinem 85. Geburtstag.

ORF-Chef Alexander Wrabetz und der ehemalige ORF-Chef Gerd Bacher am 29. Mai 2007 in Wien.

APA / Helmuth Fohringer

TV-Hinweis:

In memoriam Gerd Bacher ändert ORF2 am Sonntag sein Programm und bringt um 22.00 Uhr Andreas Novaks Dokumentation „Gerd Bacher“. 3sat bringt in der „Kulturzeit“ am Montag, 29. Juni, um 19.20 Uhr einen Nachruf auf Bacher. Ö1 wiederholt am Donnerstag, 2. Juli, um 21.00 Uhr eine Ausgabe der Reihe „Im Gespräch“ mit Bacher von 2005.

Seit seiner ersten Wahl zum ORF-Generalintendanten trug Bacher den Spitznamen „Tiger“, der ihm von Architekt und Karikaturist Gustav Peichl verliehen wurde. Peichl kam der Gedanke beim Blick auf ein „Esso“-Plakat mit dem Slogan „Tu den Tiger in den Tank“. Folglich lautete der Text einer Peichl-Karikatur, in der eine Raubkatze in ein Fernsehgerät kletterte: „Tu den Tiger in den Kasten.“ Gemeint war der Fernseher.

Ein Herzensanliegen war Bacher auch das ORF-Zentrum auf dem Wiener Küniglberg. Zu Beginn seiner ORF-Karriere war mit dem Bau begonnen worden, und er verteidigte es mit Zähnen und Klauen gegen allfällige Pläne des ORF, von dort wegzuziehen und mit neuen Strukturen an einem anderen Standort zu starten. „Der Küniglberg ist eine Trademark, das ist so, wie wenn man bei Mercedes den Stern abschafft“, meinte Bacher. Im März 2014 entschied der ORF-Stiftungsrat, alle Wiener Standorte des Unternehmens auf dem Küniglberg zusammenzufassen.

Wrabetz: „Liebe zum ORF vorgelebt“

„In den insgesamt zwei Jahrzehnten an der Spitze des Unternehmens hat Gerd Bacher nicht nur die Unabhängigkeit des ORF und die hohe journalistische und programmliche Kompetenz, sondern auch das große internationale Renommee des ORF begründet und stetig weiterentwickelt. Generationen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat Gerd Bacher nicht nur höchste Professionalität und Engagement, sondern auch die Liebe zum ORF gelehrt und vorgelebt“, so ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.

Dietmar Hoscher, Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats: „Gerd Bacher hat die Grundlagen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich geschaffen: Er hat die Unabhängigkeit der ORF-Journalistinnen und -Journalisten begründet und den ORF internationalisiert wie auch regionalisiert.“

Ilse Brandner-Radinger, Vorsitzende des ORF-Publikumsrats: „Als Gerd Bacher als ORF-Generalintendant antrat, stärkte er die Information und öffnete den ORF als Fenster zur Welt. Und er hatte sein Ohr auch immer beim Publikum, richtete den Kundendienst ein und ließ verlässliche Messprogramme für Radio und Fernsehen entwickeln, um mit den ORF-Programmen noch näher bei den Menschen sein zu können.“

Medienmacher und Visionär

„Bacher hat den ORF in seiner Zeit mit visionären Ideen für die Zukunft vorbereitet. Ich erinnere mich daran, dass er schon 1994 den Weg des ORF in die neue digitale Medienwelt vorgezeichnet hat und den Platz für den ORF eingefordert hat“, betonte Richard Grasl, Kaufmännischer Direktor des ORF.

„Gerd Bacher war Medienmacher durch und durch. Als Mensch mit Haltung ist er Vorbild für viele seiner Zunft, sein visionäres Handeln hat bis heute Gewicht und wird uns noch lange begleiten“, sagte ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner.

Fischer: „Bacher hinterlässt große Lücke“

„Mit dem Tod von Gerd Bacher hat uns ein Vollblutjournalist verlassen, der die österreichische Medienlandschaft insbesondere den ORF in der zweiten Republik mehr geprägt hat als irgendjemand anderer“, sagte Bundespräsident Heinz Fischer. „Sein Tod hinterlässt menschlich und fachlich eine ganz große Lücke.“

Ebenfalls betroffen vom Ableben Bachers zeigte sich der Österreichische Journalisten Club (ÖJC). „Bacher war zwar (fast) immer anderer Meinung, aber er war immer bereit, eine offene und intellektuelle Diskussion zu führen“, so ÖJC-Präsident Fred Turnheim in einer Aussendung.

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