Viele Studierende aus Akademikerfamilien

Heute stammt ein Drittel der Studierenden in Österreich aus Akademikerfamilien, nur sieben Prozent sind Arbeiterkinder. Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich die soziale Herkunft der Studierenden seit 1860 kaum veränderte.

Aus welchen sozialen Verhältnissen kommen Studierende in Österreich? In den letzten 150 Jahren hat sich die Antwort auf diese Frage nicht geändert. Heute (Stand 2011/12) stammen 29 Prozent der inländischen Studierenden aus Akademikerfamilien. Im Jahr 1859/60 waren 34 Prozent der Studierenden Kinder von „Gebildeten“, damit waren Regierungsrepräsentanten, Mediziner, Anwälte, Professoren oder Architekten gemeint.

Die Anzahl an sogenannten Arbeiterkindern an den Universitäten Österreichs ist gering und hat sich in diesem Zeitraum ebenfalls kaum verändert. Heute haben sieben Prozent der heimischen Studierenden einen Vater mit höchstens einem Pflichtschulabschluss. Im Jahr 1859/60 stammten neun Prozent aus der Arbeiterschicht.

Matura der Eltern erhöht Studierwahrscheinlichkeit

Gemessen an der Bildung der Eltern zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Studium an einer Universität aufzunehmen, rund drei Mal höher ist, wenn zumindest ein Elternteil über einen Maturaabschluss verfügt. Trotzdem finden seit den 1990er Jahren auch immer mehr Kinder aus bildungsfernen Familien den Weg an die Universität.

Betrachtet man die inländischen Studierenden in Österreich anhand der Schulbildung ihrer Väter, zeigt sich, dass der größte Anteil (44 Prozent) der Studierenden, Väter mit einem Lehr- bzw. Fachschulabschluss hat. Der Anteil der Väter mit einem Pflichtschulabschluss ist etwas zurückgegangen. Eine leichte Zunahme zeigt sich im Bereich der maturaführenden Schulen (AHS/BHS), der Anteil lag 2011/12 bei 20 Prozent.

Universität Wien

APA/Schlager

Nimmt man die ausländischen Studierenden hinzu, so zeigt sich eine Verschiebung hinsichtlich des Bildungshintergrundes der Väter. Der Anteil der Studierenden, deren Väter einen Hochschulabschluss haben, steigt von 19 auf 34 Prozent.

Publikationsreihe über 650 Jahre Uni Wien

Die soziale Öffnung der Universität Wien im „langen 20. Jahrhundert“ seit 1848 war mühsam und immer wieder von Zäsuren und Stagnationen unterbrochen. Insgesamt gab es aber eine „konstante Öffnung zu den neuen unteren Mittelschichten und der mit diesen langsamen verschmelzenden Arbeiterschicht“, stellt der Historiker Stefan Lenk in einem Sammelband zum 650-Jahr-Jubiläum der Uni fest.

Unter dem Titel „650 Jahre Universität Wien - Aufbruch ins neue Jahrhundert“ wirft eine vierteilige Publikationsreihe einen Blick auf die Geschichte der Hochschule. Die vom Zeithistoriker Friedrich Stadler herausgegebene Buchreihe konzentriert sich dabei auf das „lange 20. Jahrhundert“, das zwischen 1848 und heute angesiedelt wird.

Bücherreihe 650 Jahre Universität Wien

Universität Wien/Herbert Posch

Neben den „Gebildeten“ und den Arbeiterkindern gab es vor 150 Jahren noch die soziale Einteilung in „Besitzende“ und die Mittelschicht. 14 Prozent der Studierenden zählten im Jahr 1859/60 an der Uni Wien zur Schicht der „Besitzenden“, zu der Kinder von Großlandwirten, Großkaufleuten, Grundeigentümern und Selbstständigen zählten.

31 Prozent gehörten der alten unteren Mittelschicht an, damit sind Kinder von Bauern, Handwerker, Gewerbetreibende und Geschäftsbesitzer gemeint. Zwölf Prozent zählten zur neuen unteren Mittelschicht, dies waren Kinder von Volksschullehrern, niedere Handels- und Industrieangestellten, Angestellten sowie Hilfskräfte.

Kaum Veränderung in sozialer Zusammensetzung

Bis zum Ersten Weltkrieg blieb diese Verteilung in etwa gleich. In der Zwischenkriegszeit begannen die Söhne der Mittelschichten in stärkerem Ausmaß ein Studium, schreibt Lenk. Durch Kriegsheimkehrer, deutschsprachige Immigranten und Flüchtlinge kam es nach 1918 zu einem Anstieg der Studierendenzahlen. Ab 1919 war der Hochschulzugang für Frauen frei. Trotzdem veränderte sich die soziale Zusammensetzung der Studierendenschaft kaum.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich die soziale Zäsur nur langsam. Durch Kriegsrückkehrer wuchsen die Studierendenzahlen für kurze Zeit wieder stark an. Ende der 50er Jahre stieg langsam der Anteil der Studierenden aus neuen unteren Mittelschichten, vor allem Kinder von Beamten und Angestellten. Bis Mitte der 90er Jahre gab es trotz starker Studierendenzuwächse kaum Veränderungen in der sozialen Zusammensetzung der Studierenden. Zwischen Mitte und Ende der 90er Jahre nahm der Anteil der Arbeiterkinder etwas ab, leichte Verluste verzeichnete auch die neue untere Mittelschicht.

Allerdings nahm zwischen den 1970er und 1990er Jahren der Anteil der Studierenden der neuen unteren Mittelschichten massiv zu und erst in den 1990er Jahren wieder kurzfristig ab. Lenk: „Das heißt, im Vergleich zum Beginn des 20. Jahrhundertst ist die neue untere Mittelschicht ganz klar der ‚Shooting Star‘ unter den sozialen Gruppen und hat auch am meisten im Verhältnis zu den anderen Gruppen zugelegt.“

Im EU-Vergleich wenig Akademikerkinder an Unis

Laut der „Eurostudent“-Studie 2015 haben in Österreich, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, verhältnismäßig wenig Studiederende Akademiker als Eltern (ein Drittel). Am geringsten ist dieser Anteil in Malta und Italien (je 28 Prozent). Am meisten Studierende, deren Eltern einen Akademikerabschluss haben, gibt es in Georgien und Dänemark mit je 74 Prozent, in Armenien mit 73 Prozent und in Deutschland mit 70 Prozent.

Die Studie untersucht die soziale Lage von Studierenden aus 29 Ländern. Am anderen Ende der Bildungsabschlüsse, bei der Anzahl an Eltern mit höchstens einem Pflichtschulabschluss, liegt Österreich in etwa im Mittelfeld. Am höchsten ist dieser Anteil in Malta (54 Prozent). In den meisten Ländern liegen die Werte zwischen null und fünf Prozent, Schlusslichter sind Georgien (0,3 Prozent) und die Ukraine (0,4 Prozent).

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