Missbrauch in Heimen: „Schädigungen massiv“

Opfer von Gewalt im Kindesalter leiden häufig noch als Erwachsene unter „massiven Schädigungen“. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie über die Langzeitfolgen von Missbrauch in Häusern der Wiener Jugendwohlfahrt.

144 Interviews wurden bereits durchgeführt, weitere folgen. „Die Schädigungen sind massiv“, erklärte Projektleiterin Brigitte Lueger-Schuster. Untersucht werden die Geschichten von Personen, die sich bereits an die Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ gewandt und auch Entschädigungszahlungen erhalten haben - mehr dazu in Misshandlung in Heimen: 30 Meldungen pro Monat (wien.ORF.at; 18.12.2014).

Nach Zustimmung der Betroffenen erhalten die Wissenschafter Zugriff auf die Akten, zudem können sich Opfer für Kurz- bzw. Tiefeninterviews zur Verfügung stellen. Insgesamt gibt es rund 2.000 dokumentierte Betroffene, auch wenn Lueger-Schuster von einer hohen Dunkelziffer ausgeht.

Traumatische Ereignisse als Erwachsene

Ziel des vom Österreichischen Wissenschaftsfonds finanzierten und seit 2014 laufenden Projekts ist es, die psychosozialen Langzeitfolgen von emotionaler, sexueller und körperlicher Gewalt und Missbrauch zu dokumentieren. Unter anderem werden psychische Störungen, die Cortisol-Level in den Haaren als Indikator für Langzeitstress und soziale Aspekte wie Brüche in der Lebensgeschichte der Opfer untersucht. „Die Anzahl der traumatischen Ereignisse im Erwachsenenleben hat beispielsweise einen deutlichen Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch im Heim“, schilderte die Projektleiterin.

Kontrolle oder Umgang mit Scheitern

Zudem hätte die Mehrzahl der Betroffenen auch eine schlechte Ausbildung - was sich etwa mit Verarmung, Beziehungsproblemen, Obdachlosigkeit oder Gefängnisaufenthalten in den Lebensläufen der Opfer niederschlage. „Wir untersuchen damit auch, was Gewalt und Missbrauch zum Beispiel für die Entwicklung von Aggressivität, von Selbstwertgefühl, von Kontrolle oder Umgang mit Scheitern bedeuten. Damit können wir einen großen Input für die Psychotraumatologie als solche liefern“, so Lueger-Schuster.

Andererseits soll die Gewalt, die Kinder und Jugendliche in Heimen erleben, auch mit jenen Missbrauchserfahrungen verglichen werden, die in Familien gemacht werden. So könne eine eventuelle „besondere Dynamik“ von Gewalt in Heimen und ihre Folgen sichtbar gemacht werden. „Wir fragen, ob es zwischen Gewalt- und Missbrauchserfahrungen im Heim und in der Familie einen Unterschied gibt. Die Annahme ist, dass es in Familien eine andere Vernetzung gibt und daher vielleicht ein bisschen mehr Schutz möglich ist.“ Damit könnten auch die Langzeitfolgen bzw. die infrage kommenden Behandlungsmethoden variieren.

Analyse von Risikofaktoren

Ein weiterer Aspekt ist die Analyse von Risikofaktoren. So soll die Studie auch klären, ob Kinder, die aus schwierigen Verhältnissen und bereits mit Gewalterfahrungen in Heime kommen, ein größeres Risiko haben, wieder zum Opfer zu werden, als Kinder und Jugendliche aus stabilen Verhältnisse. Das könnte auch für zukünftige Prävention von Bedeutung sein. Die „Heimstudie“ läuft noch bis 2017, dann sollen auch die endgültigen Ergebnisse präsentiert werden.

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