Viertel der Wiener darf nicht wählen

Ein Viertel aller Wienerinnen und Wiener im wahlfähigen Alter darf bei der kommenden Gemeinderatswahl im Herbst nicht wählen, weil es sich dabei um keine österreichischen Staatsbürger handelt. Die Wiener SPÖ will das ändern, doch die Bundes-ÖVP winkt ab.

Es geht um knapp über 400.000 Personen im wahlfähigen Alter - diese würden in Wien leben, hätten aber keine österreichische Staatsbürgerschaft, wie das Ö1-„Mittagsjournal“ am Samstag berichtete. Davon kommen 180.000 aus EU-Ländern: Sie dürfen zwar auf Bezirksebene mit abstimmen, den Gemeinderat dürfen sie aber nicht wählen. 220.000 kommen aus Drittstaaten: Sie dürfen weder auf Bezirks- noch auf Gemeinderatsebene wählen. Damit sind 26 Prozent aller Wienerinnen und Wiener im wahlfähigen Alter von der Gemeinderatswahl ausgeschlossen.

Menschen, die in Wien leben und arbeiten würden, sollten auch mitbestimmen dürfen, forderte der SPÖ-Klubvorsitzende im Gemeinderat, Rudolf Schicker, gegenüber Ö1: „Sie zahlen ja in Wien auch Steuern. Die Gemeinde, die Bezirke sind für sie ja auch aktiv. Und da sollen sie auch mitentscheiden können“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Für ÖVP derzeit kein Thema

Außerdem bräuchte es noch Änderungen auf Bundesebene. Als nächstes will die SPÖ Wien deshalb an den Bundesgesetzgeber herantreten. Doch hier winkt die ÖVP ab - derzeit sei das kein Thema für die Partei, hieß es aus dem Parlamentsklub gegenüber Ö1. Auch Schicker sagte, dass sich eine Änderung vor der Wahl am 11. Oktober wohl nicht mehr ausgehen werde.

Dass sich eine Mehrheit für eine Änderung findet, glaubt der Politologe Peter Filzmaier nicht. Eine Debatte darüber müsse aber geführt werden: „Es gibt Konfliktstoff, wenn ein Gutteil der Menschen, die durch die Entscheidung der Politik betroffen sind, keine Möglichkeit der Mitbestimmung haben. Diese Menschen sind ja trotzdem da und artikulieren ihren politischen Willen dann anders.“

„Problematisch für die Demokratie“

Der Migrationsforscher und Staatsbürgerschaftsexperte Rainer Bauböck vom Europäischen Hochschulinstitut in Florenz sieht darin ein Problem für die Demokratie: „Wenn Gesetze beschlossen werden, in denen ein großer Teil der Wohnbevölkerung nicht repräsentiert ist, dann ist das problematisch für die Demokratie.“

Im Vergleich mit anderen Ländern stehe Österreich beim Wahlrecht schlecht da, so Bauböck: „Das lässt sich eindeutig zeigen, dass Österreich hier zu der Gruppe der Staaten gehört, die Einwanderern wenig Zugang zur politischen Beteiligung ermöglichen.“

Kritik auch von Verfassungsrechtler Mayer

Österreicher, die im Ausland leben, dürften mitentscheiden, was in Österreich passiert, Menschen ohne österreichischen Pass, die aber ihren Lebensmittelpunkt in Österreich hätten, nicht - das kritisierte Verfassungsrechtler Heinz Mayer. „Ich meine, dass es nicht gut ist, dass Auslandsösterreicher das Wahlrecht haben, die von den Entscheidungen des Gesetzgebers kaum betroffen sind, aber Leuten, die hier leben und integriert sind, das Wahlrecht vorenthalten wird, weil sie keine Staatsbürger sind“, so Mayer.

Bauböck sieht keine Rechtfertigung dafür, dass Ausländer, die in Österreich leben, vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Sofort sollte es dieses Wahlrecht aber nicht geben, so Bauböck weiter, sinnvoll sei eine gewisse Eingewöhnungsphase, von „etwa einem halben Jahr oder Jahr“.

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