Viel Kritik nach Polizeigewalt-Video

Die Einvernahme der beiden Polizisten, die einen mutmaßlichen Taschendieb misshandelt haben sollen und dabei von einem Anrainer gefilmt worden waren, steht noch aus. Kritik kommt von Kriminalsoziologen und Amnesty International.

Die Beamten „nehmen sich einen Rechtsbeistand und werden dann zur Einvernahme geladen“, sagte Polizeisprecher Johann Golob am Tag, nach dem das belastende Video veröffentlicht wurde. Die Staatsanwaltschaft sei von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt worden, hieß es weiter. Alle Beweismittel würden an die Behörde weitergeleitet. Die internen Untersuchungen gegen die betroffenen Beamten der Bereitschaftseinheit führt - wie bei derartigen Fällen üblich - das Referat für besondere Ermittlungen.

Wo sich der mutmaßliche Taschendieb aufhält, der von den Polizisten misshandelt worden sein soll, müsse erst eruiert werden, so Golob.

Polizisten mit zweijähriger Erfahrung

Die beiden Beamten, die bei der Misshandlung von einem Zeugen gefilmt wurden, haben zwei Jahre Erfahrung bei der Polizei. Die jüngeren Polizisten würden auch von älteren Kollegen angeleitet, sagt Polizeigewerkschafter Harald Segall gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal: „Diese Bereitschaftseinheit ist so gegliedert, dass in der Regel immer ein erfahrener Kollege dabei ist, ein Zugskommandant oder Gruppenkommandant, der schon die Erfahrung hat und die jüngeren Kollegen anleitet.“

Gegen die beiden Beamten wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Sie wurden in den Innendienst versetzt, außerdem wurde das Büro für besondere Ermittlungen mit dem Fall betraut, sagte Polizeisprecher Johann Golob am Dienstag - mehr dazu in Übergriff: Polizisten werden versetzt.

Polizeiübergriff in Wien

Die Szene passierte vor zwei Wochen beim Praterstern. Die Polizei schleuderte einen mutmaßlichen Taschendieb brutal zu Boden. Ein Anrainer filmte mit dem Handy.

Patzelt erneuert Kritik an Bereitschaftseinheit

„Das ist seitens des handelnden und auch des zuschauenden Polizisten ein Fall für den Staatsanwalt“, betonte Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International (ai) in Österreich. Er forderte im Gespräch mit der APA jedenfalls eine Aufklärung „durch einen unabhängigen Richter und nicht durch eine interne Abteilung“ der Polizei.

Heinz Patzelt über Polizeigewalt

Heinz Patzelt von Amnesty International Österreich kritisiert die Bereitschaftseinheit und sieht das Problem bei der Organisation.

„Wenn man das Video so sieht, braucht man das eigentlich nicht kommentieren“, sagte Patzelt zu dem aktuellen Fall. „Dieses System kann so nicht funktionieren“, kritisierte er den Einsatz von überwiegend jungen Beamten in der Bereitschaftseinheit. Es brauche dafür eine Gruppe „aus erfahrenen, charakterlich gefestigten Beamten“, forderte der ai-Generalsekretär.

Experte: „Cop Culture“ steht oft im Weg

Der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl hält zwei Jahre Erfahrung für ausreichend. „Es wäre aber wichtig, dass die jungen Kollegen deeskalierende Maßnahmen lernen.“ Das werde aber durch die „Cop Culture“ konterkariert, sagt Kreissl, „anstatt zu sagen, wir sind ein Angebot der Zivilgesellschaft, um Konflikte nicht eskalieren zu lassen. Da ist noch einiges zu tun. Das sind Prozesse, die dauern Jahre, wenn nicht Jahrzehnte.“

Kreissl sieht auch bei der Fehlerkultur der Wiener Polizei Verbesserungsbedarf. Die Bereitschaftseinheit der Wiener Polizei wurde 2012 gegründet. Vor allem junge Polizistinnen und Polizisten verrichten dort ihren Dienst. Aufgabe ist, Schwerpunktaktionen zu setzen oder übergreifend Streifendienste durchzuführen, zusätzlich zum Personal in den Polizeiinspektionen.

Die Bereitschaftseinheit hält Kreissl nicht für falsch. „Eine Personalreserve, die man bei Bedarf zum Einsatz bringen kann, ist an sich gut. Man muss aber darauf achten, dass die nicht in solche Situationen kommen. Das passiert offenbar zu wenig“, sagt Kreissl im Ö1-Mittagsjournal. Das sei ein Organisationsversagen, sagt Kreissl - mehr dazu in oe1.ORF.at.