FPÖ hat sich „Parallel-Medienwelt“ aufgebaut

Bei der Wien-Wahl setzen die Parteien auch auf intensive Online-Kampagnen. Vor allem die FPÖ schafft es in Sozialen Medien, mit vielen Menschen in Kontakt zu treten, und hat sich eine „parallele Medienwelt“ aufgebaut, so Experten.

Auf Facebook und Co. erreicht man mittlerweile nicht nur junge Wählerinnen und Wähler, sagt der Politologe Peter Filzmaier. „Es geht bei der Facebook-Generation genauso um die 40- bis 50-Jährigen.“ Plakate oder Inserate seien immer weniger relevant, „und Presseaussendungen liest nur der Pressesprecher des Gegners“, ergänzt der Kampagnenberater Yussi Pick. Ohne das Internet gewinnt man heutzutage keine Wahl mehr. „Für die Mobilisierung kann das entscheidend sein“, sagt Politikberater Thomas Hofer - mehr dazu in Politiker-Profile für User unglaubwürdig (ooe.ORF.at).

„Parteien verlieren Kontrolle über Botschaft“

In Sozialen Medien sprechen Parteien potentielle Wählerinnen und Wähler direkt an. „Man erreicht Wähler, die sich nie eine traditionelle Nachrichtensendung ansehen“, sagt Filzmaier. Die Sozialen Medien haben die Kampagnenlandschaft bei Wahlkämpfen auf jeden Fall verändert, erklärt Hofer.

Noch nie konnten Parteien mit so wenig finanziellem Aufwand so viele Menschen erreichen. „Allerdings haben sich auch die Fehlerquellen und die Angreifbarkeit potenziert“, sagt Hofer. „Die Parteien verlieren die Kontrolle über die Botschaft. Wir sind in einem Feld, wo die Empfänger die Botschaft mutwillig verändern und ins Lächerliche ziehen“, spricht Hofer etwa das ÖVP-„Taferlgate“ an.

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Strache auf Facebook

„Die Menschen bestimmen in Sozialen Netzwerken die Themen, die Parteien müssen versuchen, sich einzuklinken“, erklärt Yussi Pick. Die FPÖ hat deshalb derzeit in Sozialen Netzwerken ein leichtes Spiel. Ihr Lieblingsthema Ausländer ist auf der Agenda, ohne dass die FPÖ etwas dafür tun muss.

Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache hat auch die meisten Fans aller Politiker in Sozialen Medien. Seine „Grundsatzerklärung zum Asylnotstand“ brach Rekorde. Auf Facebook generierte Strache damit 1,5 Millionen Klicks. „Selbst wenn man Autoplays wegrechnet, hat er damit mindestens die Seher einer durchschnittlichen ZIB2 erreicht“, sagt Pick.

FPÖ setzt auf Straches Facebook-Seite

Die FPÖ setzt fast ausschließlich auf das Facebook-Profil ihres Spitzenkandidaten Heinz-Christian Strache. „Dort ist das Publikum bereits vorhanden, logisch, dass man darauf setzt“, sagt der Politologe Peter Filzmaier. „Die FPÖ hat seit Jahren die Strategie, einen von ihr empfundenen Nachteil in traditionellen Medien durch eine starke Social-Media-Präsenz auszugleichen, vor allem in Facebook“, so Filzmaier.

Die Weiterverbreitung muss die FPÖ dann gar nicht mehr selbst leisten, das Video der Rede wurde tausende Male geteilt. „Die FPÖ hat sich eine Parallel-Medienwelt aufgebaut, die eine alternative Realität für potentielle Wähler bietet“, sagt Pick. „Da fällt der journalistische Filter komplett weg“, ergänzt Hofer. Mitunter werden da aber auch krude Theorien zu Chemtrails oder anderen Verschwörungen gepostet.

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Für die SPÖ bespielt ein dreiköpfiges Social-Media-Team die großen Kanäle auf Twitter und Facebook. Die Wiener SPÖ gefällt immerhin knapp 18.500 Menschen, auf Twitter folgen rund 3.000 Personen. „Wir haben das im Vergleich zu früher irrsinnig professionalisiert“, betonte ein Sprecher. Filzmaier findet, die SPÖ könnte online offensiver sein, schränkt aber ein: „Für eine Regierungs- und Bürgermeisterpartei ist Offensive im Internet zu riskant, vielleicht gewinnt man ein paar Stimmen, verschreckt aber traditionelle Wählergruppen.“

Bei der SPÖ sind auch einzelne Stadt- bzw. Gemeinderäte eigenständig aktiv. Für sie gibt es keine Richtlinien, allerdings werden alle Mitarbeiter via App über das Themensetting der Partei informiert. Auf Instagram sorgt etwa der Account von Renate Brauner - in Anspielung auf die liebste Form der Begrüßung der Vizebürgermeisterin „beihalloechen“ getauft - für das eine oder andere Schmunzeln.

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Die ÖVP bespielt ebenfalls alle großen Social-Media-Kanäle: Auf Facebook gibt es sowohl die Landespartei (knapp 2.800 Likes), als auch Spitzenkandidaten Manfred Juraczka (über 12.000 Gefällt-mir-Angaben). Auf Twitter folgen den Wiener Schwarzen mehr als 2.600 Menschen, durch besondere Aktivität zeichnet sich dort Landesparteigeschäftsführer Alfred Hoch aus. Er versucht dort vor allem mit Journalisten ins Gespräch zu kommen.

Das Social-Media-Kernteam der ÖVP besteht laut Angaben der Partei aus zwei Personen. „Die großen neuen Ideen sind nicht vorhanden. Das ist vielleicht auch Strategie, weil man ein konservatives, auch älteres Wahlpublikum hat, das man als ÖVP erreichen kann“, so Filzmaier, auch wenn manche Kandidaten eigene Wege gehen. So sorgte etwa Listenneuzugang Caroline Hungerländer mit selbst fabrizierten Videos für kurze Aufregung in der Twitterblase.

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Grüne haben internetaffine Wähler

Die Grünen Wien verzeichnen mehr als 10.000 Likes auf Facebook und rund 6.800 Follower auf Twitter. Gepostet und getwittert wird fast im Stundentakt - zu tagesaktuellen Themen, aber auch zur Wahlkampfkampagne. „Die Grünen haben eine ganze Generation an Sympathisanten, die mit dem Internet groß geworden sind und auch sehr viel Wissen darüber haben. Die Präsentation der Grünen ist sehr variantenreich. Das kann man sich vielleicht auch nur beim grünen Publikum leisten.“

Zwei bis drei Personen kümmern sich bei den Grünen um Social-Media-Agenden, die in diesem Fall auch die Betreuung des Instagram-, Flickr- und Youtube-Accounts umfasst. Dort finden sich u.a. Videos zur Eröffnung der Mariahilfer Straße oder dem ersten Freiluftsupermarkt. Bei den twitternden grünen Gemeinderäten setzt die Partei laut einer Sprecherin auf „Eigenverantwortung“ - übergreifende Social-Media-Vorgaben gibt es nicht.

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NEOS reden auch via Whatsapp

Mangels großem Wahlkampfbudget setzen die NEOS besonders auf Social Media: Auf Facebook, wo sich momentan alles um den Wahlkampf dreht, hat man mehr als 5.000 Fans um sich geschart, mehr als 11.000 Menschen gefällt Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger. Ungewöhnlich ist das pinke Whatsapp-Service: Wer dieses abonniert, wird täglich mit den neuesten Bildern, Infos und Videos zur NEOS-Kampagne versorgt.

Die Social-Media-Arbeit, die von einer Person mit Unterstützung ehrenamtlicher Helfer bestritten wird, ist auf die allgemeine Kampagne abgestimmt. Die Social-Media-Kampagne der NEOS war schon bei der Nationalratswahl 2013 erfolgreich. Für NEOS geht es darum, Aufmerksamkeit zu bekommen. „Man muss über Social Media ein Imageprofil schaffen. Die NEOS provozieren daher auch manchmal wohl auch gezielt und insbesondere auch im Internet-Wahlkampf“, so Filzmaier.

„Wien anders“ auf Facebook oft „geliked“

Auch die drei anderen wienweit antretenden Listen WWW, GfW und „Wien anders“ sind in Sozialen Medien aktiv, mit unterschiedlichem Erfolg. „Wien anders“ zählt mehr als 6.000 Likes, die türkise Liste „Gemeinsam für Wien“ etwa 2.600. Die Liste „Wir wollen Wahlfreiheit“ liegt derzeit bei 300 „Gefällt-mir“-Angaben.

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