Experten sehen clevere Strategie der SPÖ

Politologen und Meinungsforscher sind sich einig, dass die SPÖ mit einer cleveren Strategie ein respektables Ergebnis bei der Wien-Wahl gerettet hat. Politikexperte Peter Filzmaier spricht von einem „inszenierten Kopf-an-Kopf-Rennen“.

Die Zuspitzung auf ein Bürgermeisterduell Michael Häupl (SPÖ) gegen Heinz-Christian Strache (FPÖ) habe dazu geführt, dass die Sozialdemokraten aus einer schwierigen Position heraus Platz eins klar verteidigt hätten. Darunter gelitten hätten die Grünen.

Politikexperte Thomas Hofer sieht den überraschend klaren Sieg der SPÖ im Duell mit der FPÖ als Ausdruck einer geschickten „Anti-Strache-Positionierung“ von Bürgermeister Häupl. Als erfolgreich habe sich die Strategie der SPÖ erwiesen, anders als Landeshauptmänner wie Hans Niessl, Franz Voves (beide SPÖ) und Josef Pühringer (ÖVP) nicht einen Teil der FPÖ-Agenda imitiert, sondern sich geschickt als „Anti-Strache“ positioniert zu haben.

Bachmayer: Grüne „selber schuld“

Ähnlich sieht das Politologe Peter Hajek. Auf Kernthemen zu setzen und sich gegen Strache zu stellen sei angesichts des Ergebnisses als guter Wahlkampf zu bewerten. Der SPÖ sei es gelungen, mit einem raffinierten Wahlkampf aus einer Position der Chancenlosigkeit eine Tugend zu machen, meint OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Dabei habe Häupl nicht direkt auf das Flüchtlingsthema gesetzt, sondern auf die Zuspitzung der Frage, wer künftig die Stadt lenken soll. Geholfen hätten ihm dabei Grüne und NEOS, die ins selbe Horn gestoßen hätten, dass Strache auf keinen Fall Bürgermeister werden dürfe, insofern seien sie „selber schuld“, meint Bachmayer zur enttäuschenden Performance der Grünen.

Filzmaier: SPÖ kann auf Grüne Druck ausüben

Es sei „ein inszeniertes Kopf-an-Kopf-Rennen“ gewesen. „Ein fulminanter Sieg sieht selbstverständlich anders aus. Das schlechteste Ergebnis der SPÖ in Wien war 39,15 Prozent im Jahr 1996. Da liegt man jetzt nur Haarscharf darüber“, analysierte ORF-Wahlforscher Filzmaier.

Analyse von Peter Filzmaier

Die Feierstimmung innerhalb der SPÖ speise sich aus dem inszenierten Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FPÖ. Die SPÖ freue sich auch, dass die FPÖ ihre Ziele nicht erreicht hat, sagt Filzmaier.

„Was letztlich entscheidend für die politische Machtverteilung ist: Die SPÖ hat die Möglichkeit, die jetzige Koalition mit den Grünen fortzuführen, und hat allenfalls sogar eine Alternative mit der ÖVP zur Hand. Diese ist relativ knapp in Mandaten und wird wahrscheinlich nicht relevant sein, aber man kann damit den Druck auf die Grünen in Verhandlungen erhöhen“, so Filzmaier.

Etwas Mitleid signalisiert Hofer, hätten die Grünen doch für ihre Klientel in der Regierung einige Ausrufezeichen gesetzt und könnten jetzt nichts ernten. Dazu erbe man auch noch eine Personaldebatte nach der Ankündigung von Spitzenkandidaten Maria Vassilakou im Wahlkampf, bei Verlusten abzutreten. Hajek sieht das Duell eher als Ausrede bei den Grünen. Denn in Oberösterreich habe es keines gegeben, und die Grünen seien auch nicht wesentlich vom Fleck gekommen. Deren Problem bleibe es, nicht über die Kernklientel hinauszukommen.

Einigkeit über Zustand der ÖVP

Nicht ganz einig sind sich Hofer und Hajek auch, was das Potenzial der Freiheitlichen angeht. Hofer sieht belegt, dass es doch eine gewisse Limitierung für die FPÖ gibt, die ja diesmal eine günstige Themenlage vorgefunden hatte. Hajek wiederum meint, dass das Ergebnis nur zeige, dass die Wähler vor Platz eins für die Freiheitlichen zurückgeschreckt hätten. Ein etwas besseres Ergebnis für die FPÖ hätte auch Bachmayer für möglich gehalten, hätte sich nicht alles auf das Duell zugespitzt, wer an der Spitze liegt.

Einig sind sich alle Experten in der Einschätzung, dass die ÖVP in Wien am Boden liegt. Bachmayer hält es immerhin für wahrscheinlich, dass die SPÖ die Volkspartei in die Regierung holt, sollte sich doch noch eine etwas deutlichere Mehrheit für die beiden Parteien ausgehen. Hajek sieht die Fortsetzung eines seit 30 Jahren andauernden Trends gegen die Volkspartei in der Bundeshauptstadt, die nun neben der Konkurrenz von den Grünen auch von NEOS und neuerdings von der FPÖ angeknabbert werde.

Alles falsch gemacht hat die Wiener ÖVP aus Sicht Hofers, vom Spitzenkandidaten bis zur Themensetzung. Eine Erneuerung an Kopf und Gliedern werde in der Bundeshauptstadt notwendig sein, wolle die Volkspartei bei einer Nationalratswahl stärkste Kraft werden.

Hofer: „Pflichteinzug“ von NEOS gelungen

Obwohl das Potenzial in Wien wohl höher wäre, zählen die Experten NEOS zu den Gewinnern des Urnengangs. Es habe sich um eine „Schicksalswahl“ gehandelt, und bei der habe man ein gutes Ergebnis herausgeholt, befand Bachmayer.

Debatte: Was folgt auf diese Wien-Wahl?

Für Hofer ist der „Pflichteinzug“ gelungen. Wäre NEOS auch in Wien gescheitert, wäre das ein „Desaster“ gewesen. Den Erfolg habe man gebraucht wie einen Bissen Brot, auch wenn die Marmelade darauf fehle. Denn in Wien wäre schon mehr drinnen gewesen. Einen kulanteren Umgang mit NEOS empfiehlt Hajek. Die Partei brauche einfach Zeit. Das sei dereinst bei den Grünen auch nicht anders gewesen.

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