Kein „Chinatown“ bei Naschmarkt

In Wien leben rund 30.000 Menschen chinesischer Herkunft. Sie haben ein eigenes Telefonbuch, organisieren sich in eigenen Vereinen und betreiben chinesische Unternehmen. Dennoch kann von einer Chinatown in Wien keine Rede sein.

Fariba Mosleh setzte sich intensiv mit der chinesischen Community in Wien auseinander. Mit „Vienna Chinatown INvisible“ legte die Kulturmanagerin eine Publikation über ihr Leben in der Bundeshauptstadt vor. „Als Sinologie-Studentin, die nicht immer in China sein kann, habe ich eben begonnen, das China in Wien zu suchen. Die Annäherung über die Kulinarik, die war natürlich auch bei mir sehr groß, aber dann auch im Freundeskreis oder eben in der Kunst“, erzählt Mosleh im ORF-Magazin „Heimat Fremde Heimat“.

Chinesische Buchhandlung

ORF

Helmut Wang betreibt eine chinesische Buchhandlung in Wien

Kein Interesse an Chinatown

Mosleh ging der Frage nach, ob es eine Chinatown in Wien rund um den Naschmarkt gibt. Schließlich gibt es in der Kettenbrückengasse sowie in der Rechten und Linken Wienzeile eine große Anzahl von chinesischen Unternehmen. Die Lokale, Lebensmittelgeschäfte und vielen anderen Läden können auf spezielle Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen. Die chinesische Community ist hier gut vernetzt, sowohl über die Neuen Medien als auch über rund 30 Vereine.

Für Chinesen in Österreich gibt es auch ein eigenes Telefonbuch. „Da sind alle chinesische Restaurants in Österreich aufgelistet, aber auch Anlaufstellen, die Informationen für in Österreich lebende Chinesen bieten“, erklärt Herausgeber Helmut Wang. Er führt in der Kettenbrückengasse seit über zehn Jahren seine Buchhandlung „China books“. Heute ist sie die einzige chinesische Buchhandlung im deutschsprachigen Raum.

Jenseits der chinesischen Küche

In der Nähe zum Naschmarkt haben sich in den vergangenen zehn Jahren viele chinesische Unternehmen niedergelassen.

Warum sich die meisten Chinesen rund um den Naschmarkt ansiedeln, erklärt Mosleh mit dem Produktangebot: „Der Naschmarkt ist selbst Chinesinnen und Chinesen in China ein Begriff. Frische Produkte und Lebensmittel sowie chinesische Küche ist Chinesen und Asiaten sehr wichtig.“ Eine Chinatown - also ein räumlich und sozial getrenntes Viertel, wo zugewanderte Chinesen arbeiten und leben - gibt es in Wien aber nicht. In Wien war die Zuwanderung von Chinesen im Verhältnis zu anderen Städten nicht nur zu gering, auch gab es nie das Bestreben ethnisch homogene Viertel zu schaffen, so Mosleh.

Chinesische Geigenbauerin

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Shang Zhi-Hong baut und repariert das „europäische Instrument“ Geige

Kunst verbindet Shanghai und Wien

Die Integration funktioniere gut. Als Beispiel nennt die Autorin etwa den Künstler Q.G.Li. Er kam vor 13 Jahren nach Wien und absolvierte sowohl in Shanghai als auch in Wien ein Kunststudium. Inzwischen veröffentlichte Q.G.Li Gedichte und Zeichnungen im „Buch des Himmels“ auf Chinesisch und Deutsch. Der Künstler setzt sich mit Migration und dem Ankommen im neuen Land auseinander. Q.G.Li ist der Meinung, dass vor allem die neue Generation, also die Kinder der chinesischen Migranten, die in Wien zur Schule gegangen sind, viel mit der österreichischen Gesellschaft in Kontakt kommen.

Heilende Küche mit Österreichfaktor

Auch die Zeit der einheitlichen Chinarestaurants, die das Bild über die Chinesen geprägt haben, ist Geschichte. Neue Restaurants mit vielfältigen asiatischen Speisen wurden geschaffen. Zu den Pionieren zählt Simon Xie Hong. Sein neuestes Restaurant „China-Bar an der Wien“ liegt in der Hamburger Straße.

Buchhinweis:

Mosleh, Farib: Vienna Chinatown INvisible: Eine Reise durch das chinesische Wien, Praesens Verlag, 120 Seiten, 19,40 Euro

„Ein chinesische Sprichwort besagt: Gutes Essen heilt besser als Medizin“, so Simon Xie Hong. Der Gastronom verfeinert seine Speisen mit Kräutern zur Unterstützung des Immunsystems und zum Wohlbefinden des Körpers. Mit 26 Jahren wurde es Chi Hong - damals Arzt für Traditionelle Chinesische Medizin - in China zu eng. Heute repräsentiert er mit seinen Lokalen die Vielfalt der Küche aus seinem Herkunftsland und scheut sich dabei nicht, österreichische Produkte nach eigenen Vorlieben zuzubereiten.

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