Aslan: „Radikalität beginnt im Kindergarten“

Der Islamwissenschaftler Ednan Aslan zeichnet ein drastisches Bild vom Gedankengut, das in manchen islamischen Wiener Kindergärten vermittelt wird. Kindern werde etwa gesagt, sie dürften nicht mit Menschen zusammen sein, die Schweinefleisch essen.

Den Kindern werde zum Beispiel beigebracht, sie dürften nicht mit Menschen zusammen sein, die Alkohol trinken oder Schweinefleisch essen, berichtete Aslan im Interview mit „Wien heute“ am Donnerstag von seiner Untersuchung über islamische Kindergärten und -gruppen in Wien. Oder auch: „Du darfst Menschen nicht respektieren, die sich in einer unehelichen Beziehung befinden“, so Aslan, Leiter des Instituts für islamische Studien an der Uni Wien.

Ednan Aslan

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Studienautor Ednan Aslan leitet das Institut für islamische Studien an der Uni Wien

Derartige Einstellungen hätten Konsequenzen: „Radikalität fällt nicht vom Himmel. Radikalität ist das Ergebnis eines Prozesses, und dieser Prozess fängt im Kindergarten an“, betonte Aslan. Nur wenn man diesen Prozess verstehe, könne man etwa auch die Terroranschläge in Paris verstehen: „Wenn Sie lernen, einen Menschen zu verachten, dann ist ihn zu töten nur eine technische Aufgabe.“

Aslan: Untersuchung „repräsentativ“

Mit seiner Untersuchung über islamische Kindergärten und -gruppen wolle er den Kindern helfen, erklärte Aslan - die Stadt Wien unter Druck zu setzen oder eine bestimmte Art von Politik zu unterstützen sei nicht seine Absicht. „Wir wollten eine Debatte versachlichen und eine Grundlage für muslimische Kindergärten in Österreich schaffen“, so Aslan.

Ein Zwischenbericht der Studie, die Aslan im Auftrag des Integrationsministeriums durchführt, sorgte in den vergangenen Tagen für einen politischen Schlagabtausch zwischen Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) und den zuständigen Wiener Stadträtinnen Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger (beide SPÖ) - mehr dazu in Islamische Kindergärten: Wien will Informationen.

Kindergarten

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Die Stadt plant einen Religionsleitfaden für alle konfessionellen Wiener Kindergärten

Kritik an der Methode seiner Studie wies Aslan zurück, auch, dass es gar keine richtige Studie sei, weil nur sieben Kindergärten untersucht worden seien, wie moniert wurde. Er habe vielmehr sieben Verbände analysiert, die mehrere Kindergärten betreiben würden, und die Kindergruppen seien da noch gar nicht mitgezählt. „Unsere Untersuchung umfasst ca. 2.000 Kinder, das sind etwa 20 Prozent der gesamten Zahl der muslimischen Kinder in diesen Kindergärten“, sagte Aslan. Deswegen sei die Untersuchung sogar repräsentativ für islamische Kindergärten.

Firmen verkaufen Kindergartenkonzepte

Es gebe in Wien eigene Firmen, die Kindergartenkonzepte verkaufen würden, die den Kriterien der Stadt entsprechen würden. „Gearbeitet wird dann aber nicht nach diesem Konzept, sondern nach den eigenen theologischen Vorgaben“, so Aslan. Im Interview mit dem ORF Wien plädierte der Forscher jedoch dafür, den Fokus nicht auf die Schließung von problematischen Kindergärten zu legen. „Sie können heute einen Verein schließen, morgen werden fünf Vereine entstehen“, erklärte der Islamwissenschaftler. Man müsse zuerst das System der islamischen Kindergärten verstehen und sich überlegen, mit welchen Institutionen man zusammenarbeiten könnte.

TV-Hinweis:

„Wien heute“, 10.12.2015, 19.00 Uhr, ORF2 und danach online in der ORF TVThek.

Er bezweifle die Kompetenz der Stadt bei Kontrollen etwa bezüglich der baulichen Vorschriften nicht, so Aslan. Was eine Bewertung der theologischen Positionen anbelangt, fehle der Stadt aber die Kompetenz. Zwei Anträge für eine Untersuchung der islamischen Kindergärten in Wien habe die Stadt abgelehnt, nun hoffe er auf mehr Kooperation. Wehsely habe ihm diese in einem Gespräch auch zugesagt. Namen von untersuchten Institutionen könne er aus forschungsethischen Gründen allerdings nicht an die Stadt weitergeben.

Wenig Harmonie beim Ministertreffen

Für Donnerstag war ein Treffen zwischen Kurz, Wehsely, Frauenberger und Aslan im Integrationsministerium anberaumt. Dabei einigte man sich auf die Durchführung einer gemeinsamen Studie zu islamischen Kindergärten. Das Treffen wurde überschattet von Wortgefechten, auch vor Kameras - mehr dazu in Wortgefecht zwischen Kurz und Wehsely.

Religionsleitfaden für Betreuungseinrichtungen

Die Wiener SPÖ kündigte in der Debatte über islamische Kindergärten unterdessen einen Religionsleitfaden für alle konfessionellen Betreuungseinrichtungen an. Diese neuen Regeln sollen laut einem Bericht des „Standard“ (Donnerstag-Ausgabe) Kindergartenbetreiber, Experten sowie das Netzwerk gegen Radikalisierung bei der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft erarbeiten. Bei Vergehen soll es keine Förderung der Stadt Wien geben.

Es gehe darum, Kriterien für Religion im Bereich der Frühkindpädagogik festzulegen. „Religion muss jedenfalls, und zwar in allen Kindergärten, im Hintergrund sein, weil es um die Förderung der Kinder geht und sicherlich nicht um eine religiöse Ausbildung“, so Wehsely im Ö1-Morgenjournal am Donnerstag - mehr dazu in oe1.ORF.at. Bisher wird in Wien die religiöse Ausrichtung von Kindergärten nicht erhoben - mehr dazu in Wien erhebt Religion bei Kindergärten nicht.

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