Suchtkoordinator: „Mehr Händler als Käufer“

Ein entlang der U6 entstandener Drogenumschlagplatz macht der Wiener Polizei zu schaffen. Auch der Wiener Koordinator für Sucht- und Drogenfragen, Michael Dressel, ortet „mehr Händler als Käufer“ auf der Straße.

Gleich neben der U6-Station Gumpendorfer Straße ist das „jedmayer“ untergebracht. Hier werden seit drei Jahren täglich rund 500 suchtkranke Menschen betreut. Die Anrainer haben sich noch nicht an die neuen Nachbarn gewöhnt, wie ein Lokalaugenschein von „Wien heute“ zeigt.

Sozialmedizinische Einrichtung "jedmayer" am Gumpendorfer Gürtel

APA/Roland Schlager

Das „jedmayer“ der Wiener Suchthilfe

Notdurft im Stiegenhaus

„Die Suchthilfe ist gleich um’s Eck und natürlich sehen wir oft Junkies da, die sitzen unten im Waschraum und haben oft eine Kerze mit und Spritzen und ab und zu ist Müll da“, sagt Florian Bayer, Student und Nachbar des „jedmayer“. Die Bewohner des Wohnhauses, in dem Bayer wohnt, erzählen, dass sie öfter die Polizei hätten rufen müssen.

"jedmayer"

ORF

In einem Wohnhaus in der Nähe bleibe öfter der Müll von Suchtkranken zurück

„Vor Kurzem sind mir Schuhe vor der Tür gestohlen worden, was nicht sehr angenehm ist wenn es Winterschuhe sind", erzählt Stefan Zechner, der ebenfalls in der Gegend zu Hause ist. Leider würde auch gelegentlich die Notdurft im Stiegenhaus verrichtet. Auch Zechner habe schon zweimal die Polizei gerufen, um die betreffenden Personen aus dem Stiegenhaus entfernen zu lassen.

Für Drogendealer ist die Gegend um den Gumpendorfer Gürtel das optimale Geschäftsgebiet: Hier sammeln sich viele suchtkranke Menschen, mit der U-Bahn könnten die Dealer den Ort rasch wechseln. Auch der Westbahnhof, einige hundert Meter entfernt, ist laut Polizei in der Drogenszene beliebt. In der U-Bahnpassage fänden Dealer und Suchtkranke einen warmen Unterschlupf mit vielen Fluchtmöglichkeiten. Die Polizei setze deshalb mehr Beamte ein, mit dem Ergebnis, dass immer mehr Drogenhändler festgenommen würden.

Mahrer: „Kampf gegen Drogen unmöglich“

„Die Polizei setzt ihre Kräfte genauso mobil ein wie auch die Drogenhändler mobil unterwegs sind. Wir haben bis zu 100 Polizisten täglich im Einsatz, die wir je nach Lagebild in den unterschiedlichsten Bezirken einsetzen“, sagt Karl Mahrer, Vizepolizeipräsident in Wien.

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Allerdings erschwere ein Gesetz, das seit 1. Jänner 2015 in Kraft ist, die Arbeit der Polizei: Hinter Gittern würden nur Dealer landen, die bereits drei Mal erwischt worden seien. Oder wenn die Polizei nachweisen könne, dass der Verdächtige mit Drogenhandel etwa 400 Euro im Monat verdient. Für die Polizei sind die Auswirkungen des neuen Gesetzes klar: „Das ist eine gesetzliche Grundlage, die den Kampf gegen den Straßenhandel mit Drogen de facto unmöglich macht“, beklagt Mahrer - mehr dazu in Drogenhandel: Pürstl klagt über neues Gesetz.

Auch Wiener Drogenberatung gegen Gesetz

In die Kritik der Wiener Polizei stimmt auch Michael Dressel, Koordinator für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, mit ein. Er sei zwar nicht für eine allgemeine Verschärfung, sondern „eine Verschärfung der Bestimmungen für Drogenhandel im öffentlichen Raum“. Dealen in der Öffentlichkeit sollte strenger bestraft werden, fordert Dressel, „etwa so streng, wie wenn Drogen an Jugendliche verkauft werden“.

Dass der Drogenhandel in Wien zugenommen hat, bestätigt auch der Koordinator. In der jüngeren Vergangenheit sei der Drogenhandel grundsätzlich zurückgegangen, in den letzten Monaten aber wieder gestiegen. „Wir haben derzeit die kuriose Situation, dass wir mehr Drogenhändler auf der Straße haben als Käufer“, sagt Dressel.

Dass Drogenhändler teilweise aus dem Bereich der Asylwerber kämen, sei laut Dressel nicht neu. „Menschen, die vollkommen mittellos sind, neigen dazu auch auf kriminellem Weg zu Geld zu kommen“, kommentiert Dressel eine Aussage Mahrers, wonach die Zahl der asylwerbenden Drogenhändler zugenommen habe.

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