Roller Derby: Mehr als nur im Kreis fahren

Wenn Frauen mit Rollschuhen gegeneinander und mit viel Körpereinsatz im Kreis fahren, handelt es sich um eine taktische Sportart namens „Roller Derby“. Heute spielt das Wiener Team vor ausverkaufter Halle gegen Barcelona.

„Roller Derby“ ist einem großen Teil der Bevölkerung unbekannt und wird nach Erklärung oft milde belächelt. Von außen betrachtet, könnte man denken, dass zehn Frauen im Kreis fahren und sich dabei schubsen. Erst bei genauerer Betrachtung wird klar, dass Einiges mehr dahinter steckt: Taktik, Einsatz, Teamgeist und Mut – wie bei anderen Sportarten eben auch.

Geblockt wird mit Schulter und Hüfte

Um zu punkten, muss die Jammerin (siehe Grafik) an den Spielerinnen des Konkurrenten vorbeilaufen. Die Blockerinnen des gegnerischen Teams versuchen sie daran zu hindern, während sie der eigenen Jammerin den Weg frei räumen müssen. Ab der zweiten Runde erhält das Team für jede von der Jammerin überrundete Gegnerin einen Punkt. Gestoppt werden dürfen die Spielerinnen nur durch Kontakt an bestimmten Körperbereichen, wie Schulter oder Hüfte. Rücken, Ellbogen, Kopf und Hals sind tabu. Welches Team nach 60 Minuten am meisten Punkte hat, hat gewonnen.

Vienna Roller Derby

Vienna Roller Derby

„Roller Derby“ wird auf einer ovalen Bahn gespielt

Idee von „drei Frauen bei einem Bier“

Seit fünf Jahren gibt es in Wien das Team „Vienna Roller Derby“. "Der Legende nach war das eine Idee von drei Frauen bei einem Bier“, erzählt Angela alias „WarGina“. Sie ist die Kapitänin und Blockerin des Wiener Teams. "Was mir besonders gefällt, ist der kompetitive Zugang bei diesem Sport. Die Teams machen das nicht ‚for the fun‘, die wollen wirklich gewinnen“, erklärt sie. „WarGina“ schätzt auch die Aggressivität, die in dem Sport herrscht, jedoch nie unangenehm ist.

Veranstaltungshinweis:

Die nächsten Heimspiele von „Vienna Roller Derby“ sind am 19. März, 30. April und 4. Juni in der Sporthalle Liesing bzw. in der Stadthalle Wien.

„Roller Derby“ wird fast ausschließlich von Frauen betrieben. Das Wiener Team zählt 90 aktive Mitglieder, davon sind 80 Skaterinnen. Die restlichen Mitglieder sind Schiedsrichter oder helfen abseits des Felds, indem sie Strafen und Spielstände aufzeichnen. Der erste Wettkampf in diesem Jahr findet am Samstag statt, der Gegner kommt aus Barcelona. Die Chancen auf einen Sieg des Wiener Teams stehen gut: „Wir sind jetzt ein eingespieltes Team und kennen unsere sportlichen Qualitäten.“

Bei den Heimspielen sind die Zuschauerränge inzwischen gut gefüllt. Die Tickets für das Spiel gegen Barcelona waren innerhalb von fünf Stunden ausverkauft. „WarGina“ und ihr Team waren sprachlos: „Wir wussten selbst nicht, was passiert ist. Ab und zu waren die Spiele vielleicht drei Tage davor ausverkauft, aber dass es so schnell geht, hat uns alle überrascht.“

Vienna Roller Derby

Nadine Poncioni

Nur im Wettkampf sind die Teams Rivalen

Bekannt aus Film und Fernsehen

Nach Anfängen als Ausdauersportart wurde Mitte der 1940er Jahre ein Punktesystem entwickelt. „Roller Derby“ erlangte große Bekanntheit in den Vereinigten Staaten und füllte ganze Stadien. Nach einem vorübergehenden Verschwinden der Szene, stieg die Bekanntheit Anfang der 2000er. Zu Beginn war der Sport fast ausschließlich in den USA bekannt, vor etwa zehn Jahren gründeten sich die ersten Teams in Europa.

Vienna Roller Derby Fearleader

Franz Reiterer

Übrigens: „Vienna Roller Derby“ haben ihre eigenen männlichen Cheerleader, die „Fearleader“

Einem breiten Publikum wurde der Sport durch den Film „Roller Girls“ bekannt. Seither wird zwar häufiger über den Trend geschrieben, aber weniger über die sportlichen Ergebnisse berichtet. Wie nahe der Film an der Realität ist, erklärt „WarGina“ so: „Der Sport ist derselbe, aber der Film ist natürlich sehr von Hollywood geprägt. Man wird nicht in sechs Monaten von einer Anfängerin zum absoluten Star. Auch regeltechnisch gab es Veränderungen, wie bei einem jungen Sport zu erwarten ist.“

Die meisten Wettkämpfe werden nach den Regeln der Women’s Flat Track Derby Association (WFTDA) ausgetragen, wo „Vienna Roller Derby“ seit dem Vorjahr ein eingetragenes Team ist. Momentan sind die Wienerinnen im Mittelfeld der Rangliste zu finden. In Österreich gibt es noch drei weitere Teams, je eines in Graz, Linz und Innsbruck. Diese sind allerdings noch nicht bei Wettkämpfen vertreten.

Vienna Roller Derby

Nadine Poncioni

„Vienna Roller Derby“ freuen sich über das gewonnene Spiel

Anfang Juni in der Stadthalle

Als „Vienna Roller Derby“-Spielerin gilt man in den ersten sechs bis neun Monaten als Neuling. Erst nach dem Absolvieren eines Tests wird man bei Trainingsspielen eingesetzt. Bei diesem werden die Fähigkeiten auf Roller Skates und die Spielregeln geprüft. Vor einem Wettkampf wird drei Mal pro Woche trainiert und in den Tagen vor dem Spiel werden Videoanalysen des Gegners und der eigenen Leistungen durchgeführt.

Bei den Trainingsorten gibt es in Wien immer wieder Probleme. Da hinter „Vienna Roller Derby“ kein österreichischer Verband steht und der Sport noch relativ unbekannt ist, fällt es schwer, Hallen für Trainings und Wettkämpfe zu finden. „Die Stadt Wien bietet auch wenig Unterstützung“, sagt „WarGina“. Momentan finden die Wettkämpfe meistens in der Sporthalle Liesing statt, für Anfang Juni steht jedoch die kleine Halle der Stadthalle bereit. Dort haben bis zu 500 Menschen Platz, vielleicht ein weiterer Schritt zu mehr Akzeptanz.

Matthias Lang, wien.ORF.at

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