Spitalsarbeitszeiten: Urteil vernichtend

Die Wiener Ärztekammer hat ihre Spitalsärzte zu den Auswirkungen der neuen Arbeitszeitregeln befragt. Knapp ein Drittel meldeten sich zu Wort, und das Urteil fiel vernichtend aus: 87 Prozent orteten eine Verschlechterung der Patientensituation.

2.090 der 7.385 Spitalsärzte beteiligten sich an der Onlineumfrage der Ärztekammer zu den neuen Arbeitszeitregeln. Nur ein Prozent der teilnehmenden Ärzte erkannte eine Verbesserung für die Patienten, 74 Prozent sahen eine Verschärfung der Zweiklassenmedizin. 82 Prozent der Ärzte orteten längere Wartezeiten auf Operationen, 79 Prozent in den Ambulanzen.

Der administrative Aufwand ist für 65 Prozent mehr geworden, für 81 Prozent der generelle Arbeitsaufwand, 32 Prozent machen unbezahlte Überstunden. Die Ausbildungssituation hat sich für 74 Prozent verschlechtert. Positiv wurde vermerkt, dass der verstärkte Einsatz des Pflegepersonals für medizinische Tätigkeiten die Work-Life-Balance verbesserte.

Isolierstation in der Infektionsabteilung des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien

APA/Helmut Fohringer

Die neuen Arbeitszeiten brachten große Änderungen in der Organisation

Neue Arbeitszeiten seit einem Jahr

Vor einem Jahr trat das neue Arbeitszeitgesetz für Spitalsärzte in Kraft, das eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit von 60 auf 48 Stunden mit sich brachte - und damit auch große Umbrüche in der Organisation der Krankenhäuser - mehr dazu in Streit über Ärztearbeitszeit beigelegt.

Kammer fordert mehr Administrativkräfte

Der Wiener Kammer-Präsident Thomas Szekeres wertete das Urteil zur verschlechterten Patientenversorgung als alarmierend hohe Zahl. „Hier muss gegengesteuert werden“, sagte er. Gemeinsam mit Vizepräsident Hermann Leitner forderte er weitere Maßnahmen zur Entlastung des ärztlichen Personals. Es brauche mehr Administrativkräfte, und auch die versprochene Übernahme ärztlicher Tätigkeiten durch die Pflege zur Hälfte sei noch nicht erfolgt.

Außerdem seien die zentralen Notaufnahmen dringend notwendig, denn diese garantierten eine rasche und qualitätsgerechte Erstversorgung der Patienten. 60 Prozent der befragten Ärzte in den Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) gaben an, dass es diese in ihrem Haus noch nicht gebe.

KAV sieht Forderungen teils schon erfüllt

Der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) zeigte sich von dem Ergebnis der Umfrage nicht allzu beeindruckt. Man greife als verantwortungsbewusster Arbeitgeber die Bedenken und Befürchtungen von Mitarbeitern auf, die Forderungen der Kammer seien aber schon umgesetzt bzw. auf dem Weg dorthin.

Im „für alle Berufsgruppen herausfordernden Veränderungsprozess“ sei es nicht hilfreich, „mit falschen Behauptungen Stimmung zu machen“, richtete KAV-Generaldirektor Udo Janßen Szekeres per Aussendung aus: „Allein zur Entlastung der ÄrztInnen und Pflegekräfte auf den Stationen haben wir 145 neue Dienstposten für StationssekretärInnen geschaffen.“ Die zentralen Notaufnahmen schritten ebenfalls zügig voran. Und die Behauptung, Ärzte würden „im großen Stil“ unbezahlte Überstunden machen, die nicht einmal in Freizeit abgegolten würden, entspreche schlicht nicht der Wahrheit, beteuerte Janßen.

Opposition fühlt sich bestätigt

Die Rathaus-Opposition sieht unterdessen ihre Befürchtungen bestätigt. „Die Patientensituation hat sich in Wien deutlich verschlechtert, das Problem der Zweiklassenmedizin hat sich verschärft“, resümierte FPÖ-Gesundheitssprecher David Lasar. ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec las aus den Resultaten, „dass Wiens rot-grüne Stadtregierung hier alles vermasselt hat, was möglich war“. Die NEOS orteten, „dass der Lack des exzellenten Wiener Gesundheitssystems langsam zu bröckeln beginnt“, Gesundheitssprecher Stefan Gara forderte einen „gesamten Gesundheitsplan“ für Wien.

Kein Gewerkschaftsstatus für „Asklepios“

Die selbst ernannte Wiener Ärztegewerkschaft Asklepios erhält unterdessen nun vorerst keinen Gewerkschaftsstatus. Das entschied das zuständige Bundeseinigungsamt, berichtete „Der Standard“ am Mittwoch. Asklepios formierte sich während des Streits um das neue Arbeitszeitgesetz im Vorjahr formierte - mehr dazu in Ärztevertreter nicht einig.

Als einen der Hauptgründe für die Entscheidung führt die Behörde unter anderem die geringe Anzahl an Mitgliedern an, für die ein Kollektivvertrag abgeschlossen werden muss. Im Fall der 1.805 Asklepios-Mitglieder waren das nur 59. Zur Erklärung: In Wien unterliegen die Ärzte der Gemeindekrankenhäuser der Landesgesetzgebung. Kollektivverträge gelten nur für Mediziner von Ordens- und Privatspitälern. Asklepios fasst weitere Rechtsschritte ins Auge.

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