Experte: „Öffis“ erreichen Kapazitätsgrenzen

Die Kapazitätsgrenzen bei öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien - etwa bei der Linie U6 - sind laut einem Experten der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) erreicht. Er fordert neue Verkehrskonzepte. Laut Wiener Linien wird an der „Infrastruktur der Zukunft“ gearbeitet.

Für Sebastian Kummer vom Institut für Transportwirtschaft an der WU sind neben der U6 die U3, der 43er und der 13A „Sorgenkinder“. Bei der U6 gibt es laut Kummer Drängereien auf dem Bahnsteig und Verzögerungen. Dass zur Hauptzeit laut Kummer alle vier Minuten eine U6-Garnitur fährt, wurde von den Wiener Linien zurückgewiesen. „Wir haben im Oktober 2014 das Intervall von drei Minuten auf 2,5 Minuten umgestellt“, so Dominik Gries, Sprecher der Wiener Linien, gegenüber wien.ORF.at - mehr dazu in Alle 2,5 Minuten: U6-Intervall verdichtet (wien.ORF.at; 19.10.2014).

Überlastete Stationen zu Spitzenzeiten

„Jeder, der in der Spitzenzeit fährt, sieht, dass die Stationen überlastet sind, dass einzelne Züge überlastet sind, dass es dadurch zu deutlichen Fahrzeitverzögerungen kommt, dass zum Beispiel Türen blockiert werden“, sagt dagegen Kummer. Durch volle Stationen und Züge und daraus resultierende Verzögerungen der Fahrzeiten können pro Stunde im Schnitt nur 20 statt 30 U-Bahngarnituren fahren, rechnet Kummer vor. Aktuell könne man nicht von einer Überlastung sprechen, heißt es dazu von den Wiener Linien.

Kummer sieht einen der Hauptgründe dafür in einer Fehlplanung der Wiener Linien: Die Netzplanung gehe bis zum Jahr 2030 von zwei Millionen Einwohnern aus. Realistisch geplant müsse aber mit 2,5 Millionen werden, so Kummer: „Die Wiener Linien werden Opfer ihres eigenen Erfolges und des starken Wachstums von Wien. Niemand hat damit gerechnet, dass Wien im letzten Jahr um 40.000 Einwohner gewachsen ist.“ Auch hätten viele nicht mit dem großen Erfolg der 365-Euro-Jahreskarte gerechnet - mehr dazu in Wien wuchs um 43.200 Einwohner.

Bei den Wiener Linien sieht man das anders. Man arbeite mit der Verlängerung der U1 bzw. der U2 und dem Neubau der U5 an der „Infrastruktur der Zukunft“, so Sprecher Gries. Man sei verkehrstechnisch auf das Wachstum der Stadt vorbereitet. Heuer investieren die Wiener Linien 515 Millionen Euro etwa in den Ausbau der U1 und die Renovierung der U4 - mehr dazu in U4-Sperre und U1-Ausbau im Mittelpunkt.

Zwei weitere U-Bahn-Linien benötigt

Den Bau der neuen U-Bahn-Linie U5 sieht Kummer als absolute Notwendigkeit, wenn er auch seiner Meinung nach zu spät angegangen wurde. Diese Linie wird künftig vor allem die U6 und die Straßenbahnlinie 43 entlasten.

„Die Gesamtbelastung des Netzes – auch bei der U3 oder in den Innenstadtbereichen mit den zu kleinen historischen Stationen – wird dadurch nicht gelöst.“ Auch das sieht man bei den Wiener Linien anders: „Eine U-Bahn, die etwa Stationen bei der Neubaugasse und der Pilgramgasse hat, entlastet natürlich die U3“, so Gries. Laut Kummer brauche es mindestens zwei weitere U-Bahn-Linien, vor allem in die entlegenen Stadtbereiche.

Kummer glaubt aber nicht, dass die Wiener Linien auf Dauer in der Lage sein werden, den gesamten Individualverkehr in Wien abzudecken. Er hält Zukunftskonzepte für einen „ökologisch freundlichen Individualverkehr“ für sinnvoll, im Speziellen durch einen Fokus auf Elektromobilität. Dieser könnte das öffentliche Netz entlasten. Weitere Maßnahmen wären hier etwa das Forcieren von Carsharing, auch mit autonom fahrenden Fahrzeugen, und der Ausbau von Elektrotankstellen.

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