Mindestsicherung: Wien fordert VfGH-Prüfung

Wegen der Pläne zur Kürzung der Mindestsicherung in Oberösterreich fordert Wien eine Prüfung beim Verfassungsgerichtshof (VfGH). Das Vorgehen sei „inhuman“, so Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ).

In Städten würde es nur die Obdachlosigkeit befeuern, warnte Häupl am Dienstag bei der Präsentation der Ergebnisse der Klausur der Stadtregierung. Wien fordert deshalb den Bund auf, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten: „Eine Kürzung der Mindestsicherung ist klar verfassungswidrig.“ Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) prangerte das blau-schwarze Ansinnen in Oberösterreich als „unsolidarischen Alleingang“ an: „Das ist nicht hinzunehmen.“

Maria Vassilakou und Michael Häupl

APA/Helmut Fohringer

Vassilakou und Häupl halten das Vorgehen in Oberösterreich für „inhuman“ und „unsolidarisch“

Dass die Mindestsicherung auch den Bezug von Sachleistungen beinhalten könne, halten die Regierungspartner in Einzelfällen hingegen durchaus für sinnvoll. Diese Möglichkeit, so erläuterte Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ), gebe es jetzt bereits. Derzeit werde darüber verhandelt, sie auch in die 15a-Vereinbarung aufzunehmen.

Sonja Wehsely

APA/Helmut Fohringer

Sozialstadträtin Sonja Wehsely

Rot-Grün kann sich zudem die sogenannte Residenzpflicht für Flüchtlinge, die Mindestsicherung beziehen, vorstellen. Häupl bezeichnete den verpflichtenden Wohnsitz als eine „diskussionswürdige Sache“. Nicht zuletzt die Bundeshauptstadt würde davon profitieren: „Ja, es würde auch eine Hilfe für Wien sein.“ Denn derzeit würden 85 Prozent der Betroffenen nach Wien kommen.

Maria Vassilakou gab zu bedenken, dass es bei einer Residenzpflicht zugleich Integrationsmaßnahmen bzw. eine Betreuung in den jeweiligen Gemeinden geben müsse. Ohne eine derartige Unterstützung wäre die Regelung zynisch, befand sie. Vor der Klausur hatten sich die Teilnehmer sehr bedeckt gehalten und wenig Auskunft zu den Themen abgegeben - mehr dazu in Flüchtlinge: Kein Kommentar vor Klausur und Flüchtlinge: Stadtregierung in Klausur.

„Start Wien“-Paket mit günstigerer Monatskarte

300.000 Flüchtlinge sind seit Anfang 2015 durch Wien gereist - diese aktuelle Zahlen wurden am Dienstag präsentiert. Mehr als eine Million Übernachtungen in Notunterkünften wurden seither gezählt. Rund 21.100 Personen befinden sich derzeit in Wien in der Grundversorgung. Vor allem für sie wurde ein spezielles „Start Wien“-Programm ins Leben gerufen, wie die Regierungsvertreter verkündeten.

Man setze damit auf Integrationsmaßnahmen ab dem ersten Tag, wie versichert wurde - und auf Kontinuität: Der Unterschied zwischen Asylerfahren und -gewährung solle für die Betroffenen nicht in dem Ausmaß wie bisher spürbar sein. „Das Ziel ist, dass alle Flüchtlinge in der Grundversorgung bis Ende des Jahres einen Bildungspass haben“, erläuterte Wehsely das Konzept. Im Pass soll die persönliche Entwicklung dokumentiert werden.

Begonnen wird mit einzelnen Infomodulen, anschließend werden - in Kooperation mit den Volkshochschulen - Deutschkurse oder Basisbildungsprogramme angeboten. Die Teilnahme ist verpflichtend, wie Wehsely betonte. Beinhaltet ist eine vergünstigte Monatskarte der Wiener Linien (Regulärpreis 48,20 Euro, Anm.), für die ein Kostenbeitrag von 4 Euro eingehoben wird - wobei hier auch über eine Finanzierungsbeteiligung durch den Bund verhandelt werden soll. Wer sich weigert, die Kurse zu besuchen, verliert auch das Ticket.

Kritik von Opposition

Die Wiener Oppositionsparteien haben die Pläne der Wiener Stadtregierung in Sachen Flüchtlinge kritisiert - wobei sich die pinken Rathaus-Vetreter zumindest über die Akzeptanz eigener Vorschläge freuten. Die FPÖ mokierte sich vor allem darüber, dass die Mindestsicherung nicht gekürzt werden soll sowie über die angekündigten Integrationsmaßnahmen.

ÖVP-Chef Gernot Blümel höhnte über ein „Weiterwursteln“ sowie „völlige Realitätsverweigerung“. Die Pläne der Stadt seien ein Beleg für das Chaos und die Überforderung von Rot-Grün, befand er in einer Aussendung.

NEOS zeigte sich hingegen zufrieden, dass ihr Vorschlag in Sachen Wohnsitzpflicht angenommen werde. Klubchefin Beate Meinl-Reisinger vermisst aber weitere Maßnahmen, etwa gegen den „Flächenbrand an den Wiener Schulen“.