Schwere Mobbing-Vorwürfe gegen KAV

Eine Wiener Ärztin erhebt schwere Mobbing-Vorwürfe gegen den Krankenanstaltenverbund (KAV). Seit sie 2013 einen Behandlungsfehler aufgezeigt habe, sei ihr etwa der Kontakt zu Patienten und das Operieren untersagt worden.

Die 60-jährige Medizinerin Stefanie Seel ist Fachärztin für plastische Chirurgie mit einem Masterabschluss in Health Care Management, anerkannte Psychotherapeutin und Mediatorin für das Justizministerium. Seit 29 Jahren arbeitet sie für den KAV, als aktive Chirurgin zuletzt im ehemaligen Geriatriezentrum Am Wienerwald (GZW).

Stefanie Seel

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Stefanie Seel arbeitet seit 29 Jahren für den KAV

Behandlungsfehler aufgezeigt

Ende 2013 habe die Medizinerin bei einer postoperativen Untersuchung „einen Sachverhalt beobachtet, der mir nicht ganz sachgerecht erschienen ist“. Details zu dem Fall will sie aus Furcht vor zusätzlichen Repressalien nicht nennen. Wie es ihrer Verpflichtung entsprach, habe Seel den Sachverhalt aber ihrer Vorgesetzten gemeldet und „Behandlungen und Nichtbehandlungen in einem KAV-Spital“ aufgezeigt. „Ich glaube, das war nicht erwünscht“, so Seel heute.

Danach habe das systematische Mobbing mit einer Vorladung zum Amtsarzt begonnen. Seels Arbeitsfähigkeit sollte plötzlich überprüft werden und sei von dem ausführenden Kollegen als „voll dienstfähig“ bestätigt worden. Dennoch seien disziplinäre Maßnahmen wie Zwangsurlaub und ein Operations- und Patientenkontaktverbot gefolgt. Seels anfängliche Unsicherheit wich Mitte Dezember 2013 der Gewissheit, „dass es Mobbing ist“, schrieb sie in ihrem Tagebuch.

40 Wochenstunden „Literaturstudium“

Im Mai 2014 reichte die Ärztin beim Arbeits- und Sozialgericht eine Klage gegen die Stadt Wien als KAV-Betreiber und Dienstgeberin ein. Zehn Tage später erhielt Seel eine Dienstzuweisung in die Krankenanstalt Rudolfstiftung. Welcher Tätigkeit sie dort nachgehen sollte, sei ihr nicht mitgeteilt worden. „Und dann bin ich da gesessen in einem Zimmer, das zwar sehr hübsch war, aber ganz alleine ohne Kontakt zu Kollegen, und hatte den Auftrag: 40 Wochenstunden Literaturstudium“, sagt die Chirurgin.

Bis Juli 2014 habe Seel keinen EDV-Zugang gehabt, auf einer Telefonliste oder in einem Mailverteiler sei sie nicht aufgeschienen. Vor Gericht argumentierte man seitens des KAV mit einem Unfall, den Seel im Jahr 2010 erlitten hatte, und seit dem sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Man habe die Medizinerin schonen wollen, die Maßnahmen seien nur zu ihrem Besten geschehen, schildert Seel die Aussagen ihrer GZW-Chefin.

Von Chefin ausgezeichnet beurteilt

Von ebendieser hatte Seel noch im März 2012 im Zuge einer Bewerbung als Wiener Patientenanwältin eine ausschließlich positive Beurteilung, die dem ORF vorliegt, bekommen. Darin sind die ausgezeichneten medizinischen Qualifikationen der Ärztin hervorgestrichen. Darüber hinaus, heißt es in dem Papier, bringe Seel „innovative und konstruktive Vorschläge“ ein und setze sich „für die Anliegen der Mitarbeiter und Patienten aktiv ein“.

Nachdem Seel 2013 auf den Behandlungsfehler aufmerksam gemacht hatte, wollte man von der „hervorragenden Weise“, in der sie das Geriatrische Ambulatorium für plastische Chirurgie im GZW geführt hatte, aber plötzlich nichts mehr wissen. Obwohl die ausgezeichnete Beurteilung zwischen Seels Unfall und dem Beginn des Mobbings lag, sei das Papier nicht als Beweismittel in dem Verfahren zugelassen worden.

GWZ

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Im ehemaligen Geriatriezentrum sind heute Flüchtlinge untergebracht

Ärztin „beruflich tot“

Letztendlich „wurden alle Aktionen, die die Dienstgeberin gegen mich gesetzt hat, als rechtens dargestellt“, sagt Seel. Deren Klage und die folgende Revision wurden mittlerweile auch vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen, obwohl das Arbeits- und Sozialgericht Anfang 2015 der „Unterlassung der einseitigen Zwangsbeurlaubung“ stattgegeben hatte. Das Hauptverfahren ist damit abgeschlossen, ein Nebenverfahren läuft noch. Indessen geht das Mobbing aber weiter. „Jetzt bin ich wieder vorgeladen beim Amtsarzt, ob ich dienstfähig bin“, sagt Seel.

Ärztin fühlt sich von KAV gemobbt

Eine Chirurgin erhebt schwere Vorwürde gegen den Wiener KAV. Sie werde gemobbt, weil sich einen Kunstfehler aufgedeckt habe, so die Ärztin.

Sie leide heute vor allem an den psychischen Folgen ihrer Geschichte. „Man ist ständig in Anspannung, kann an nichts anderes mehr denken. Es ist wirklich wie Folter“, sagt sie. Sie habe das Grundvertrauen in die Menschen verloren. Als ausgebildete Psychotherapeutin erkenne Seel ihren eigenen Zustand als „durchaus typische“ Folge von Mobbing. Dessen Ziel sei immer der „berufliche Tod“, und das habe man bei ihr bereits erreicht.

KAV reagiert auf Vorwürfe nicht

„Mir kann jetzt nicht mehr wirklich geholfen werden“, aber es müsse sich in der „österreichischen Gesetzgebung dringend etwas tun“, denn ihr Fall sei kein einzelner, sagt Seel - mehr dazu in Weitere Mobbingvorwürfe am AKH. Sie werde jedenfalls trotz der enormen finanziellen Belastung auch juristisch weiterkämpfen, eine neue Klage sei bereits in Arbeit.

Beim KAV wollte man sich zum Fall Seel und zu den konkreten Vorwürfen des anhaltenden Mobbings nicht persönlich äußern. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es lapidar, „dass es ein höchstgerichtliches Urteil gibt, in dem der Stadt Wien als Dienstgeberin recht gegeben wurde“.

Stefanie Leodolter, wien.ORF.at

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