Grauzone „bezahlte Nachbarschaftshilfe“

Übersiedeln helfen, Fliesen legen, Kinder betreuen: Die Wiener Internetplattform „Neighbours.HELP“ will Nachbarn vernetzen. Allerdings wird dafür teilweise auch Geld verlangt, was laut der Wiener Wirtschaftskammer (WKW) Schwarzarbeit gleichkommt.

„Liebe Leute! Ich bräuchte für nächsten Sommer ca. 80 Zitronenbäume bzw. -pflänzchen. Hat jemand die Muße dazu, diese Bäumchen jetzt anzupflanzen und sie bis Sommer 2017 großzuziehen? Wenn ihr alle Materialien selbst besorgt, dann würde ich 150 Euro bezahlen, ansonsten bringe ich euch die Erde usw. vorbei und zahle 100 Euro. Ich würd’ mich sehr freuen, wenn sich da jemand findet“, schreibt eine Frau mit dem Benutzername „sowieso“ in die neue Plattform „Neighbours.HELP“.

Nachbarschaftshilfe unterliegt genauer Definition

Gesucht werden auf der Plattform die verschiedensten Dinge: Hilfe beim Fliesenverlegen im Badezimmer, das Einbauen einer Hi-Fi-Anlage in das Wohnmobil, Englischlehrer, Laufpartner usw. Die Plattform ist Ende April online gegangen und wirbt seither mit Postwurfsendungen in Wien. Gründer ist der Student Patrick Schranz, der die Seite gemeinsam mit drei Freunden betreibt.

Neighbours.HELP Nachbarschaftshilfe Komik

Neighbours.HELP

Mit diesem Comic wirbt „Neighbours.HELP“ per Postwurfsendung

Die Grenze zwischen Nachbarschaftshilfe und Schwarzarbeit ist schmal. „Wenn Geld angeboten wird, ist man schnell im Bereich Schwarzarbeit. Es gibt eine exakte Definition für Nachbarschaftshilfe. Wenn Freunde, Familienmitglieder oder Nachbarn Dienstleistungen unentgeltlich anbieten und die Tätigkeit nicht der ständigen Weisungsgebundenheit des Auftraggebers unterliegt, dann ist es Nachbarschaftshilfe“, sagt Peter Draxler von der Steuerabteilung von PricewaterhouseCoopers (PWC) gegenüber wien.ORF.at.

Bezahlte Nachbarschaftshilfe ist Grauzone

„Wenn wildfremde Menschen auf Internetplattformen Geld bieten für Dienstleistungen, dann ist es eine riskante Sache“, so Draxler. Auch Martin Sattler von der WKW sagt: „Es ist keine Nachbarschaftshilfe, wenn man sich noch nie begegnet ist. Das ist eine Umgehung, das ist Schwarzarbeit. Es sind - wie in allen rechtlichen Dingen - aber immer die Einzelfälle zu prüfen.“

Denn es besteht eine Grauzone: „Wenn jemand seinen Schlagbohrer regelmäßig gegen Entgelt anbietet, dann ist es gewerblich. Wenn er ihn einmal entgeltlich herborgt, dann ist das keine Schwarzarbeit. Es ist immer die Frage, wie professionell das aufgebaut ist. Einmal etwas anzubieten ist etwas anderes, als wenn man sagt, man hat täglich von 12.00 bis 24.00 Uhr Zeit. Dann ist das regelmäßig und gewerblich mit Gewinnabsicht“, so Sattler.

„Auftraggeber muss Befugnis kontrollieren“

Betreiber Schranz, der später von der Plattform leben möchte, sagt, dass man sich mit dem Thema Schwarzarbeit intensiv beschäftigt habe. „Es gibt auf der Internetseite Informationsblätter. Schwarzarbeit ist es nur dann, wenn es derjenige nicht versteuert. Wir sind eine reine Vermittlungsplattform, die die Menschen zusammenführt. Es sind nicht nur Privatleute auf der Seite, sondern auch viele, die das gewerblich im kleinen Stil machen.“

Neighbours.HELP Nachbarschaftshilfe

Neighbours.HELP

Der Auftraggeber muss die Befugnis der Ausübung der Dienstleistung prüfen

Was kein Problem darstellt: Wenn die Person, die ihre Leistung anbietet, einen Gewerbeschein hat. Das muss allerdings die auftraggebende Person prüfen. „Der Auftraggeber ist verpflichtet zu kontrollieren, ob derjenige befugt ist, die Tätigkeit vorzunehmen“, so Sattler. Im schlimmsten Fall können 3.600 Euro Strafe die Folge sein, wenn jemand ohne Gewerbeberechtigung engagiert wird.

Potenzial von sechs Milliarden Euro Schwarzarbeit

In Österreich gibt es ein Potenzial von sechs Milliarden Euro Schwarzarbeit im Jahr. „Es ist kein Kavaliersdelikt. Schwarzarbeit schadet sowohl den Unternehmen, die normal kalkulieren, weil sie Sozialversicherung, Steuern etc. bezahlen und deswegen nicht so geringe Preise anbieten können. Aber auch der Allgemeinheit wird geschadet, weil keine Steuern abgeführt werden“, sagt Sattler.

„Sowieso“ lässt sich davon nicht beirren: „Es ist mein erster Auftrag, aber bisher bin ich von der Idee begeistert. Ich heirate nächstes Jahr. Unsere Hochzeitsfarbe ist gelb, dazu hätte ich gerne die Zitronenbäume, die jetzt mittels der Plattform angepflanzt werden sollten.“

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