Immer mehr Dächer sinnvoll genutzt

Die Stadt wird dichter. Pools, Gärten, Terrassen, Fußballplätze und Co. werden deswegen immer öfter auf Dächern eingeplant. Dort werden sie von den Bewohnern gemeinsam genutzt. Laut Stadt Wien ist es eine „unaufhaltsame Entwicklung“.

„Es ist eine Entwicklung, die man nicht aufhalten kann und anbieten wird müssen“, sagt Christian Kaufmann, Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ). „Ob eine Dachfläche aber wirklich ausgebaut wird, hängt einerseits mit der Statik zusammen und andererseits mit den Kosten. Beim geförderten Wohnbau ist immer auf eine gewisse Kostengrenze zu achten.“

Laut David Breitwieser von EHL Immobilien sind Dachflächennutzungen „derzeit stark nachgefragt und immer mehr im Kommen. In Zukunft werden sie eine große Rolle spielen“. Vorreiter der nutzbaren Dachfläche war Harry Glück. Bereits in den 1970er Jahren wurden die Bauten in Alt Erlaa errichtet, die über insgesamt sieben Pools auf den Dächern verfügen. Alleine der Wiener Bauträger Gesiba, zu dem auch Alt Erlaa gehört, hat in 23 von 52 Objekten Schwimmbäder in Betrieb. Zugang haben jeweils nur die Bewohner der Wohnanlagen.

Dachnutzung vor allem in dicht bebauten Gebieten

„Es gibt immer mehr Bauträger, die sich dessen bewusst sind, dass das Dach nicht nur dazu da ist, dass das Regenwasser abrinnt. Es findet ein Wandel statt“, sagt Harald Deinsberger-Deinsweger vom Institut für Wohn- und Architekturpsychologie. „Erdgeschoßbereiche sind oft verkehrsbelastet und kaum benutzbar. In dicht bebauten Gebieten sind nutzbare Dachflächen daher etwas Empfehlenswertes.“

„Eine kleine begrünte Fläche, ein Spielplatz, das sind alles Dinge, die eine Bereicherung für den Lebensraum bringen können. Wenn es gut gestaltet ist, dann kann es auch ein Begegnungsraum für die Nachbarn werden. Da können soziale Netzwerke für die Kinderbetreuung oder gegen die Vereinsamung von alten Menschen gebildet werden“, sagt Deinsberger-Deinsweger.

Bewusstseinsbildung bei Architekten

„Es muss aber nicht immer ein Pool sein. Studien haben ergeben, dass es bereits einen Unterschied macht, überhaupt auf Natur zu schauen. Krankenhauspatienten, die in den Park schauen, erholen sich zum Beispiel schneller und brauchen weniger Schmerzmittel. So können begrünte Dachterrassen auch positive Auswirkungen auf die Nachbarn haben, die nur darauf blicken“, sagt Christina Kelz von gesund-bauen.at. 22 Projekte mit einer „besonderen Dachfläche“ - also von Dachterrasse bis Pool - sind laut Wohnservice Wien derzeit in Planung.

Bike and Swim

Gesiba AG

2012 wurde „Bike & Swim“ in der Leopoldstadt fertiggestellt

Gemeinsame Nutzung nicht immer reibungslos

Seit mittlerweile 20 Jahren besteht der gemeinschaftliche Dachgarten der Sargfabrik in Penzing. Der Erfahrungsschatz, wie so eine gemeinsame Nutzung funktioniert, ist dementsprechend groß. Christa Leidinger zum Beispiel kümmert sich seit eben jenem Zeitraum um den Steingarten: „Das meiste passiert ehrenamtlich. Wenn es um das Mähen geht, wird herumgefragt, wer es als nächster machen kann bzw. diejenigen, die eine Feier machen, müssen vorher mähen.“

Sargfabrik

Verband für Bauwerksbegrünung

Seit 20 Jahren kann das Dach der Sargfabrik bereits genutzt werden

„Ein paar Dinge erledigen der Haustechniker oder Gärtner, aber prinzipiell kümmern sich die Bewohner um alles. Manches bleibt da übrig, das schaut dann auch dementsprechend aus“, so Leidinger. Hinauf dürfen alle Bewohner des Hauses - bei Festen auch Freunde. Wer den Griller benutzen möchte, kann sich in eine Liste im Lift eintragen. Die jeweiligen Benutzer sind für die Reinigung verantwortlich.

5.242 Hektar Dachfläche in Wien

„Klar, bei Feiern kann es schon mal lauter werden. Dann muss man die Fenster zumachen. Ich wohne im obersten Geschoß wegen dem 50 Zentimeter hohen Erdreich am Dach höre ich aber kein Getrampel oder so“, sagt Leidinger. Lärmbelästigung sei laut Christian Mecjr, Sprecher von Engelmann, auch beim Dach in Hernals kein Problem, wo sich abwechselnd ein Eislauf- und Fußballplatz befinden, da eine Bowlingbahn darunter ist.

Begrünte Dächer bieten nicht nur zusätzlichen Platz im dichten Stadtgebiet, sie sind außerdem Teil der Strategie gegen Hitzeinseln, die im September 2015 erarbeitet wurde. Zirka 500.000 Quadratmeter Dachfläche werden laut dem Verband für Bauwerksbegrünung jedes Jahr begrünt. 5.242 Hektar groß ist die gesamte Wiener Dachfläche. Das entspricht den Bezirken Favoriten und Simmering zusammen. Bislang ist nur ein verhältnismäßig kleiner Teil davon begrünt.

Lisa Rieger, wien.ORF.at

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