Österreichs erste männliche Hebamme

Es ist seit Jahrhunderten eine Frauendomäne: Der Beruf der Hebamme. Nun könnte Österreich bald seine erste männliche Hebamme bekommen: Markus Leich absolviert gerade den Hebammen-Studiengang an der FH Campus Wien.

Zunächst einmal: Ja, auch männliche Hebammen werden „Hebammen“ genannt. So legt es das österreichische Hebammengesetz fest, und Markus Leich ist damit auch sehr zufrieden: „In Deutschland heißt die männliche Hebamme Entbindungspfleger, aber dieser Berufstitel bezieht sich eigentlich nur auf einen Part der Hebammentätigkeit - auf die Geburt selbst.“ Hebammen seien jedoch auch in der Vorsorge und Nachsorge tätig. Die Bezeichnung Hebamme empfindet Leich als treffender - und als geschlechtsneutral.

Markus Leich

ORF/Evelyn Kanya

Markus Leich: Vom Hotelfachmann zur Hebamme

Ein Geburtstag, der alles änderte

Der gebürtige Deutsche lebt seit gut zwölf Jahren in Österreich, ist ausgebildeter Tourismusfachmann und arbeitete zunächst in Hotels in Tirol. An seinem 30. Geburtstag entschied Markus Leich dann, sein Leben radikal umzukrempeln: „Ich habe mir gedacht, ich muss noch 40 Jahre arbeiten – und da möchte ich doch das machen, was mir Spaß macht und woran ich Interesse habe“, erzählte er im Interview mit „Radio Wien“.

Medizin und Geburtshilfe interessierten Leich schon lange, bereits seinen Zivildienst absolvierte er in einem Krankenhaus: „Ich durfte bei einer Geburt dabei sein, das war ein magischer Moment.“ Doch für eine weitere Ausbildung habe ihm damals die Kraft gefehlt, erinnerte er sich, er hätte auch das Abitur nachmachen müssen.

Die Skepsis unter den Kolleginnen

Hebamme sei ein Beruf, in dem man von den frischgebackenen Eltern sehr viel zurückbekomme, sagte Leich, und: „Ich glaube, man kann in diesem Beruf sehr viel bewegen.“ Derzeit ist er im zweiten von sechs Semestern im Bachelor-Studiengang für Hebammen an der FH Campus Wien und absolviert gerade sein erstes Praktikum im Wiener Donauspital. Die Eltern würden bisher sehr positiv auf ihn reagieren: „Die Frauen sind begeistert, auch von den Männern habe ich nur Zuspruch bekommen.“ Er fühle sich auch nicht in erster Linie als Mann wahrgenommen: „Man verschwindet mit seinem Geschlecht hinter der Krankenhauskleidung. Man ist einfach eine Person, die den Familien hilft, da ist es egal, ob man ein Mann oder eine Frau ist.“

Markus Leich

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Der 32-Jährige empfindet die Bezeichnung „Hebamme“ als geschlechtsneutral

Skepsis erlebe er hingegen immer wieder bei Hebammen-Kolleginnen, die bereits seit Jahren ihren Beruf ausüben. „Warum will ein Mann unbedingt diesen Beruf erlernen?“, das sei eine Frage, die immer wieder im Raum stehe. „Diese Kolleginnen gilt es davon zu überzeugen, dass man die gleichen Intentionen hat wie sie auch, warum sie diesen Beruf erlernt haben und ausüben“, sagte Markus Leich. Er könne die Skepsis aber nachvollziehen, schließlich sei er einfach der erste Mann in dem Bereich.

Männliche Hebammen seit 1995 erlaubt

Erst seit 1995 sind in Österreich Männer zur Hebammenausbildung zugelassen. Damals seien die Bundeshebammenlehranstalten durch sogenannte Hebammen-Akademien ersetzt worden, so Brigitte Kutalek-Mitschitczek, Leiterin des Hebammen-Studiengangs an der FH Campus Wien und selbst seit knapp vier Jahrzehnten Hebamme. 30 Studienplätze gibt es in ihrem Studiengang jährlich: „Im Schnitt bewerben sich pro Jahr 500 Personen, darunter sind zwei Männer“, sagte Kutalek-Mitschitczek. Markus Leich sei der erste gewesen, der den schriftlichen Test zu Beginn des Auswahlverfahrens bestand.

Neben Markus Leich tauchen in der österreichischen Hebammen-Geschichte noch zwei Männer auf: Im österreichischen Hebammenregister ist ein Mann gelistet, der seine Ausbildung jedoch im Ausland absolvierte, kein österreichischer Staatsbürger ist und derzeit auch nicht als Hebamme arbeitet. Ein weiterer Mann begann in Tirol in den 1990er Jahren die Ausbildung, brach sie aber ab.

Studiengangleiterin: „War selbst skeptisch“

Die Skepsis ihrer Kolleginnen kann Kutalek-Mitschitczek gut verstehen, zu Beginn sei es ihr ähnlich gegangen. Dabei sind Männer in der Geburtshilfe nicht so ungewöhnlich - in Wien sind beispielsweie immer noch mehr als die Hälfte der Gynäkologen Männer. „Beim Gynäkologen sind meistens ein Instrument oder Handschuhe zwischen Frau und Arzt. Das ist beim Hebammenberuf nicht so, da ist man sehr nah dran, das ist sehr persönlich“, erklärte sie.

Dazu kommt ein historische Rucksack: Die Geschichte der Hebammen sei immer wieder auch einen Kampf zwischen Männern und Frauen gewesen – darum, wer in der Geburtshilfe den Ton angeben dürfe, so Kutalek-Mitschitczek. Zum Umdenken brachten die Studiengangleiterin dann Gespräche mit jungen Müttern: „20- bis 30-jährige Frauen, die ich oftmals gefragt habe, wie es wäre, wenn sie ein Mann entbinden würde, sind da sehr offen. Und das hat mich dazu gebracht zu denken: Warum nicht!“

Erste Geburt im Herbst

Im Herbst steht für Markus Leich das nächste Praktikum auf dem Programm – und dann wartet auch seine erste Geburt in der Funktion als Hebamme auf ihn. Ob Männer wie er Exoten bleiben werden? Kutalek-Mitschitczek hält eine Prognose für unmöglich, meinte jedoch: „Wir sind ja gerade dabei, neue Rollen zu finden, ob in der Familie oder in Beziehungen. Es ist ein Umbruch zu spüren.“ Und auch männliche Hebammen seien ein Teil davon. Viele Männer würden gar nicht wissen, dass sie Hebammen werden könnten, ist Leich überzeugt. Das könnte sich nun ändern.

Evelyn Kanya, wien.ORF.at

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