Wiens türkische Seite

Die Ereignisse der vergangenen Wochen in der Türkei haben nicht nur außenpolitisch, sondern auch in Wien selbst für Unruhe gesorgt. „Wien heute“ ist der Frage nachgegangen, wie „erdoganisiert“ die türkische Community in Wien ist.

Nach dem versuchten Militärputsch in der Türkei gab es auch in Wien Demonstrationen pro Erdogan - mehr dazu in Kritik an Erdogan-Demo wächst und in Pro-Erdogan-Demos: Veranstalter angezeigt. Viele fragen sich jetzt, wie weit der Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Wien reicht. Immerhin hat die Mehrheit der Türken in Wien bei den letzten türkischen Wahlen Erdogans AKP gewählt.

In Wien leben mit Stichtag 1.1.2016 laut Statistik Austria rund 45.500 türkische Staatsangehörige und insgesamt rund 110.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund (beide Elternteile im Ausland geboren). Bei den pro Erdogan-Demonstrationen in Wien vor zwei Wochen hat sich gezeigt, dass viele Austro-Türken dem türkischen Präsidenten und seiner islamisch-konservativen Politik sehr verbunden sind.

Demonstration Türken Wien Erdogan

APA/Christopher Glanzl

Pro Erdogan-Demonstration in Wien

Viele Erdogan-Wähler in Ottakring

In Ottakring und Favoriten prägen türkische Mitbürger das Straßenbild. Hier ließen sich die meisten jener Gastarbeiter nieder, die in den 1960er-Jahren geholt worden sind. Mittlerweile leben auch schon die nächsten Generationen hier. Es ist ein beachtliches Wählerpotential für die türkische Politik, wie sich auch beim Besuch Erdogans in Wien vor zwei Jahren gezeigt hat. Bis zu 13.000 Sympathisanten kamen damals in die Albert-Schultz-Halle in Kagran - Fahnenmeere für und wider Erdogan.

Den Besuch Erdogans organisierte damals der Verein UETD, der auch hinter den jetzigen pro Erdogan-Demos stehen soll. Austro-Türken, die für den türkischen Präsidenten in Wien auf die Straße gehen: Ob das legitim ist, ist seither vieldiskutiertes Thema, auch weil nicht nur für Erdogan, sondern auch im Namen Allahs demonstriert wurde.

Brunnenmarkt Türken

ORF

Verbindung von Politik und Religion „grundfalsch“

Von den vielen türkischen Vereinen, die es in Österreich gibt, sind etliche mit dem Islam eng verbunden. Für eine strikte Trennung von Politik und Religion ist der Verein Atatürk in Meidling, benannt nach dem Begründer der türkischen Republik. Die 750 Mitglieder sind westlich orientiert und sehen sich als modernes Gesicht der Türkei. „Wenn man den Islam für die politischen Ziele benützt und verwendet, das ist ganz schlecht. Das führt immer zu einer Katastrophe und deswegen ist es auch grundfalsch“, sagt Murat Yilidirim Barlan, Obmann des Atatürk Kulturzentrums.

Dass die Erdogan-Anhänger in der türkischen Community in Wien die Minderheit sind, davon ist Birol Kilic von der Türkischen Kulturgemeinde Österreich überzeugt. Er appelliert an alle, sich nicht politisch instrumentalisieren zu lassen: „Unsere neue Heimat ist Österreich. Unsere Interessen sind hier. So einfach.“

Türken in Wien

Die Ereignisse in der Türkei haben auch die Wiener türkische Community nicht unberührt gelassen. Eine Spurensuche.

Erdogan vermittelt „Heimatgefühl und Stolz“

„Guter Mann“, „Ich liebe Erdogan“, „Er hat alles gemacht, was die vorigen nicht gemacht haben für die Türkei, zum Beispiel die Menschenrechte.“ - Die Begeisterung für Erdogan in Ottakring ist dennoch groß. Immer mehr Anhänger der AKP Erdogans ortet in Wien der Politikwissenschaftler mit türkisch-kurdischen Wurzeln, Onur Kas. Er schreibt für das multikulturelle Magazin Biber: „Erdogan gibt diesen Leuten immer noch das Gefühl, dass sie immer noch eine Heimat haben, dass sie jederzeit auch zurückkehren können und er gibt ihnen auch das Gefühl von Stolz.“

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