Mit der Modellbahn nach Wiensbruck

Eine Hauptstadt namens Wiensbruck, Züge und Autos, die durch die Landschaft fahren, unzählige Szenarien und Details, Nächte, die alle 20 Minuten Tausende Lichter erstrahlen lassen: Das „Miniatur Tirolerland“ in Margareten ist eröffnet.

„Fix und fertig, aber glücklich. Es ist kaum zu fassen: ein Projekt, an dem wir alle jahrelang gearbeitet haben, irrsinnig viel investiert haben, 13.500 Stunden stecken drinnen, jetzt ist es soweit, die Öffentlichkeit kann kommen.“ Wolfgang Pröhl, Initiator des „Miniatur Tirolerlands“ ist hörbar erleichtert. Seit Beginn des Jahres 2011 waren insgesamt 46 Menschen daran beteiligt, die von Tirol inspirierte Modelllandschaft zu realisieren.

TV-Hinweis:

„Wien heute“, 11.11.2016, 19.00 Uhr, ORF 2

Eine Idee, die Pröhl beim Schlauchbootfahren im Pazifik kam. Die Modelleisenbahnanlage ist zwar später fertig geworden als ursprünglich geplant. Die Verspätung ist aber bei einer „Radio Wien“-Spezialführung am Abend vor der Eröffnung am Freitag kein Thema.

Vor allem wegen der detailverliebten Gestaltung und der technisch aufwändigen Ausstattung sind die ersten Besucher begeistert: „Ganz eine beeindruckende Sache. Ich habe so etwas in dieser Größenordnung noch nie gesehen. Wirklich, die Detailtreue unglaublich.“ - „Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll.“ - „Das Innenleben von den Häusern.“

Wie alles begann

2011 galt es zunächst einmal, das ehemalige Geschäftslokal in der Franzensgasse 18 zu sanieren. Es waren Arbeiten, die mit Modellbau wenig zu tun hatten, sondern viel mehr mit realem Hoch- und Tiefbau. Am 8. August 2011 berichteten „Wien heute“ und wien.ORF.at erstmals über das ehrgeizige Projekt, da waren schon tausende Arbeitsstunden investiert. Aus etwa 1.200 Sperrholz-Teilen wurden Plattformen errichtet, auf denen Häuser, Landschaften und Attraktionen aufgebaut sowie natürlich die Züge fahren sollten.

Vier Monate später, im Dezember 2011, hatten Pröhl und seine Mitarbeiter die Gleisarbeiten beendet. Die ersten Züge wurden probeweise über die Strecke geschickt. Der digitale Steuerstand für die gesamte Anlage mit drei Computern war zwar schon fertig, doch die ersten Zuge steuerten die Modellbauer noch mit einem alten Modellbahntrafo.

Miniatur Tirolerland

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180 Meter Straße führen durch das Tirolerland

Auch erste Autos fuhren bereits über die handgefertigten Straßen. 180 Meter wurden speziell präpariert: „Und dann wurde anhand dieser Streckenführung eine ein Millimeter tiefe Ritze hineingefräst. In diese Ritze habe ich einen Fahrdraht hineingelegt“, erzählte damals Karl Wagner, einer der tatkräftigen Modellbauer. Aufgabe des Drahts ist es, die magnetische Lenkung der Vorderachse zu gewährleisten, damit die Autos genau auf der Spur fahren.

Fünf Minuten für einen Baum

Pröhl und sein Team gaben unzähligen Teilen der Anlage ihre ganz besondere Note, so etwa auch Anton Köhler. Eine seiner Aufgaben war es, Bäume herzustellen. Dafür bog er zunächst Draht in eine selbst angefertigte Schablone. Mit Kleber, Vogelsand und Krepp verlieh er den Bäumen ein naturgetreues Aussehen. Zeitaufwand pro Baum laut Köhler: „Cirka fünf Minuten zum Wickeln und Löten.“ Seine Leistung: rund 400 handgefertigte Bäume.

Miniatur Tirolerland

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Ganz fertig ist das Miniatur Tirolerland aber doch noch nicht. „Ein ganz großes Projekt fehlt noch: die Berg-Isel-Schanze mit einem Event hineingepackt. Es soll nächstes Jahr auf der Anlage zu sehen sein“, so Pröhl.

Im Dezember 2013 ein nächster Meilenstein: Das kleine fiktive Tiroler Bergdorf Örzl steht fertig in der Landschaft. Almen, Bergen, eine Schafherde, eine Bergbahn für Touristen, ein Marterl und viele andere Details vermitteln dem Betrachter ein realistisches Bild Tirols - freilich ein manchmal auch zum Schmunzeln verleitendes, etwa wenn sich Polizei und Feuerwehr bemühen, einen Paragleiter zu retten, dessen Schirm sich in einem Baum verfangen hat.

Wiensbruck ist die Hauptstadt des Tirolerlands

Quasi den Horizont der Anlage erweitert hat Günter Langegger. Er bemalte die Wände rund um die Anlage mit dem Ziel, Modellanlage und Wandbilder so realistisch wie möglich miteinander verschmelzen zu lassen: „Die Schwierigkeit ist es, die Übergänge zu schaffen. Hier ist es Winter, da ist es Sommer, wie kann ich da es malerisch versuchen, dass hier ein optimaler und langsamer Übergang entsteht - das ist ein bisschen die Herausforderung“, so Langegger.

33 Kilometer Kabel

„Das größte Problem war die Verkabelung unter der Anlage, ganz sicher. Wir haben keine Servicegänge dahinter, alles musste unter die Anlage. Die insgesamt 33 Kilometer Kabel unter der Anlage zu verlegen, das hat schon viel an Zeit und Energie gekostet“, so Wolfgang Pröhl.

An die 1.100 Häuser sind über die Anlage verteilt: Bauernhöfe, Stadthäuser, ein Weihnachtsdorf, eine Feuerwache, ein Gefängnis und viele mehr. Fast bei jedem Haus kann der Besucher eine Geschichte erkennen, eine Situation aus dem Alltag etwa, auch hier immer wieder verbunden mit der Absicht, die Betrachter zum Schmunzeln zu bringen.

2015 schließlich wird nach jahrelanger Bauzeit ein Ende absehbar. Die fiktive Hauptstadt „Wiensbruck“ ist fertiggestellt. Rund um einen großen Hauptbahnhof drängen sich etwa 220 Häuser, mehr als 3.000 Menschen bevölkern verschiedenste Szenarien, demonstrieren, besuchen Ausstellungen oder vergnügen sich am Volksfest. Wenn sich die Nacht über Wiensbruck senkt - was im Miniatur Tirolerland computergesteuert alle 20 Minuten passiert - bringen allein 3.500 LEDs die Stadt zum Leuchten.

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Wiensbruck, Hauptstadt des Tirolerlands

Drei Computer steuern die gesamte Anlage

Detailverliebtheit, etwa zu sehen an den beweglichen Figuren, und die sehr aufwändige Technik sorgen dafür, dass es fast fünf Jahre dauert, bis die Anlage eröffnet werden kann. Die gesamte Anlage wird von einem digitalen Steuerstand aus dirigiert. Dieser besteht aus drei Computern: Einer ist für rund 70 Züge zuständig, die gleichzeitig fahren können. Der zweite Rechner ist für rund 100 Autos zuständig, die zugleich fahren können. Der dritte Rechner steuert alles andere: Licht und Bewegung, auch die Tag-Nacht-Schaltung. Pro Sekunde werden bis zu 1.200 Steuerbefehle abgewickelt

Auf der Anlage im Maßstab 1:87 finden sich rund 1.100 Gebäude, rund 5.000 Bäume sowie mehr als 22.000 „Tirolerländer“. Die Gleisanlagen haben eine Gesamtlänge von knapp zwei Kilometern, insgesamt finden etwa 110 Züge und ebensoviele Autos auf der Anlage Platz. 33 Kilometer Kabel wurden verlegt. Dass die Anlage keine Angelegenheit für das heimische Wohnzimmer ist, zeigt eindrucksvoll auch noch eine andere Zahl: Bisher wurden rund 600.000 Euro an Eigenkapital sowie an Sponsorgeldern in den Bau der Anlage investiert.

Es gibt viel zu entdecken

Die Modelleisenbahnanlage soll ein Erlebnis für die gesamte Familie sein. Initiator Wolfgang Pröhl will, dass seine Besucher aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Dafür sollen nicht nur die schon erwähnten stationären Szenarien mit ihren vielen Details sorgen, sondern auch bewegte Sequenzen und sogenannte Knopfdruckattraktionen. So können die Besucher unter anderem zusehen, wenn die Feuerwehr von Wiensbruck ausrückt, oder aber auch per Knopfdruck etwa ein Karussell in Bewegung setzen.

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Miniatur Tirolerland

Franzensgasse 18, 1050. Freitag, Samstag und Sonntag von 10.00 bis 17.00 Uhr. Erwachsene 10 Euro, Kinder von 6 bis 14 Jahren 6 Euro.

Auch wenn Pröhl und sein Team viel Zeit, Geld und Hirnschmalz in Landschaft und Szenarien gesteckt haben, allein schon das Beobachten der Züge lässt das Herz der Besucher höher schlagen. Die Abfahrt vom Bahnhof Wiensbruck, das Verschwinden in irgendeinem Tunnel, die Begegnung zweier Züge inmitten eines Bergpanoramas, die Überfahrt über eine der Brücken, die Schmalspurbahn: Es gibt viel zu entdecken im Miniatur Tirolerland. Die Frage ist lediglich, ob ein Besuch ausreicht, um neben dem offensichtlichen auch eines der unzähligen versteckten Details auf der Anlage zu entdecken.

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