Bluttat auf Brunnenmarkt: Täter eingewiesen

Jener Mann, der im Mai auf dem Wiener Brunnenmarkt eine Frau mit einer Eisenstange erschlagen haben soll, ist in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden. Bei der Verhandlung war er nicht vernehmungsfähig.

„Ich kann mich nicht erinnern. Ich glaube, da war eine Frau. Ich glaube, ich habe eine Frau mit Metall geschlagen“, sagte der 21-jährige Angeklagte vor dem Wiener Straflandesgericht, wobei sein Blick ins Leere ging. „Wissen Sie, wieso?“, wollte der Richter wissen. Der Mann verneinte. „Er war auch unmittelbar nach der Tat nicht in der Lage, eine Stellungnahme abzugeben“, gab sein Verteidiger zu bedenken. Aus den Gesprächen mit seinem Mandanten habe er den Eindruck gewonnen, „dass ich ihn nicht erreiche“.

Der gebürtige Kenianer war einem psychiatrischen Gutachten zufolge aufgrund einer paranoiden Schizophrenie zum Tatzeitpunkt zurechnungsunfähig und damit nicht schuldfähig. Deswegen wurde er nicht wegen Mordes angeklagt. Weil ein Sachverständiger den Mann infolge seiner Erkrankung nach wie vor als hochgradig gefährlich betrachtet, hatte die Staatsanwaltschaft die Einweisung des Angeklagten in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Das Gericht gab diesem Antrag am Montag statt.

Prozess um Brunnenmarkt-Mord

Der 21-jährige Mann wird in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingeliefert. Der Mann war bei der Tat nicht schuldfähig.

Einstimmige Entscheidung der Geschworenen

Die Entscheidung der Geschworenen fiel einstimmig aus. Der Richter verwies in der Urteilsbegründung auf den Wahrspruch der Geschworenen, die auf Basis des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen entschieden hatten. Der paranoid schizophrene Mann bedürfe einer dauerhaften engmaschigen Betreuung. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, der Verteidiger bat um Bedenkzeit.

Trauer am Brunnenmarkt

Caritas Wien

Viele Menschen trauerten auf dem Brunnenmarkt um die 54-jährige Frau

Der Verteidiger bedauerte, dass die schwere paranoide Schizophrenie des Mannes im Vorfeld von Behördenseite nicht erkannt worden war, obwohl der Mann längst gerichtsbekannt war: „Hätte man das früher erkannt, hätte man das früher behandelt, hätte das verhindert werden können.“ Der mutmaßliche Täter hatte laut Anklage am Morgen des 4. Mai 2016 eine 54 Jahre alte Frau auf ihrem Weg zur Arbeit mit einer Eisenstange erschlagen - mehr dazu in Brunnenmarkt: Täter geistig abnorm.

Die Frau befand sich in Begleitung ihrer Kollegin, die sich hinter einem geparkten Auto verstecken konnte. Ihrer Zeugenladung konnte die Augenzeugin nicht nachkommen. Sie leidet seit dem Gewaltverbrechen, das sie teilweise mitansehen musste, an Panikattacken und einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Angeklagter agierte „hemmungslos“

„Der Fall ist dramatisch, für einen Mediziner aber relativ einfach“, stellte der Gerichtspsychiater dar. „Die absolute Hemmungslosigkeit bei der Tatausführung spricht dafür, dass jedes Bremsvermögen ausgeschaltet war. Ein gesunder Mensch könnte eine solche Tat nicht begehen“, meinte er. Er habe „noch nie so eine verunstaltete Leiche gesehen“. Laut Gerichtsmediziner bekam das Opfer mindestens achtmal eine teleskopartige Metallstange auf den Kopf geschlagen: „Der Schädel war komplett zertrümmert. Dieser Fall ist nach meiner 23-jährigen Berufserfahrung an Brutalität schwer zu übertreffen.“

Der Mann sei auch jetzt noch gefährlich, so der Gerichtspsychiater: Er leide an Wahnvorstellungen, optischen und vermutlich auch akustischen Halluzinationen, und trotz mehrmonatiger Behandlung und Verabreichung der besten und teuersten verfügbaren Medikamente habe sich sein Zustand „nur minimal“ gebessert. „Er ist im Moment genauso gefährlich wie zum Zeitpunkt der Tat und würde zweifellos genauso schwere Straftaten wieder begehen.“ Die Tat selbst war laut Gutachter „nicht langfristig geplant“, sondern ereignete sich „spontan, aus einer Wahnvorstellung heraus“.

Gutachten: Tat hätte verhindert werden können

Für Aufregung kurz vor Prozessbeginn sorgte ein im Ermittlungsverfahren eingeholtes psychiatrisches Gutachten. Dieses besagt, dass die Bluttat möglicherweise zu verhindern gewesen wäre, wenn die Behörden konsequent reagiert und den psychisch kranken Mann rechtzeitig in Behandlung gebracht hätten - mehr dazu in Brunnenmarkt-Verdächtiger „nie behandelt“.

Um genau dieses mögliche Behördenversagen unter die Lupe zu nehmen, hatte Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bereits im Mai eine Sonderkommission eingerichtet. Diese ortete prompt „systemische Probleme“ in der Kommunikation zwischen jenen Behörden und Institutionen, die mit dem Mann zu tun gehabt haben. Denn Polizei und Justiz hatten eine Fülle von Informationen über den Tatverdächtigen zusammengetragen. Diese wurden aber offenbar aus Datenschutzgründen nicht weitergegeben - mehr dazu in „SoKo Brunnenmarkt“ übt heftige Kritik.

Spurensicherung nach Mord am Brunnenmarkt

APA/Herbert P. Oczeret

Der mutmaßliche Täter attackierte die Frau auf ihrem Weg in die Arbeit

Für die Angehörigen des Opfers ist es wichtig, „dass in der Verhandlung aufgezeigt wird, welche Versäumnisse da stattgefunden haben und was da alles falsch gelaufen ist“. Das sagte der Rechtsvertreter des Witwers und der Tochter. Für die aus ihrer Sicht fixen behördlichen Unterlassungen verlangen die Angehörigen der ermordeten Frau eine Wiedergutmachung - mehr dazu in Mord auf Brunnenmarkt: Witwer klagt.

Der Witwer hat die Tat bisher nicht verkraftet. „Für mich ist es heute noch ein Schock, was da passiert ist“, sagte er der APA. „Sie war so ein positiver Mensch, hat jedem nur helfen wollen, jahrelang alles ehrenamtlich gemacht“, so der 65-Jährige mit Tränen in den Augen. „Am heutigen Prozesstag kommt alles wieder hoch, ich glaube nicht, dass ich jemals damit abschließen kann.“

Unterbringung bei psychisch kranken Tätern üblich

Es ist keine Seltenheit, dass über schwerwiegende Delikte gegen Leib und Leben in Form von Unterbringungsanträgen verhandelt wird, weil die Täter aufgrund einer hochgradigen geistig-seelischen Abnormität zurechnungsunfähig und damit nicht schuldfähig sind. Das geht aus aktuellen Zahlen des Justizministeriums hervor. So wurde im heurigen Jahr (Stichtag: 1. November) 91-mal über schwere Gewalt in Form eines staatsanwaltschaftlichen Antrags auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verhandelt.

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