Heimskandal: Verfahren eingestellt

Gegen mehr als zehn Personen ist wegen Missbrauchsverdachts im ehemaligen Kinderheim auf dem Wilhelminenberg ermittelt worden. Es war das erste große Verfahren in der Causa. Doch es wurde eingestellt, bestätigt die Staatsanwaltschaft.

Der Abschlussbericht der Wilhelminenberg-Kommission brachte das Ermittlungsverfahren bei der Wiener Staatsanwaltschaft ins Rollen. Die Untersuchungen liefen gegen mehr als zehn Personen - und die Anschuldigungen waren schwer. Ermittelt wurde wegen Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen. Bezogen haben sich die Missbrauchsvorwürfe vor allem auf die 1950er und 1960er Jahre - mehr dazu in Heimskandal: Erstes großes Verfahren.

Staatsanwaltschaft nennt mehrere Gründe

Bereits am 30. September wurde das Verfahren eingestellt, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, jetzt gegenüber dem ORF Wien bestätigte. Die Beendigung des Verfahrens hat laut der Sprecherin mehrere Gründe.

„Teilweise wurde es wegen Verjährung eingestellt, teilweise aus Beweisgründen, weil kein strafbares Verhalten festgestellt wurde beziehungsweise weil Personen nicht ausgeforscht werden konnten“, so Bussek. Ein weiterer Teil des Verfahrens sei beendet worden, weil Beschuldigte verstorben waren.

Eine Ansicht des Schloss Wilhelminenberg

APA/Herbert Pfarrhofer

Gebäude, in dem einst das Kinderheim am Wilhelminenberg untergebracht war

Ein Opferanwalt hat gegen die Einstellung einen Fortführungsantrag eingebracht. Vom Landesgericht gibt es dazu aber noch keine Entscheidung. Das Heim auf dem Wilhelminenberg war 1977 geschlossen worden - als eine Folge der Zustände in der Anstalt, die damals schon massiver Kritik ausgesetzt war.

41,5 Millionen Euro an ehemalige Heimkinder

Es war das erste Ermittlungsverfahren aufgrund des Wilhelminenberg-Abschlussberichts. Bereits vor dem Bericht der Wilhelminenberg-Kommission gab es laut der Stadt einige Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft, die aber ebenfalls wegen Verjährung eingestellt wurden oder weil die Beschuldigten bereits verstorben waren.

Eineinhalb Jahre lang untersuchte die Wilhelminenberg-Kommission Vorwürfe rund um das ehemalige Kinderheim in Ottakring. Die Kommission kam im Jahr 2013 zu dem Schluss, dass Kinder und Jugendliche im Laufe der Jahrzehnte in dem Heim schwerem sexuellen Missbrauch ausgesetzt gewesen waren. Die Kommissionsvorsitzende Barbara Helige sprach damals von einer Liste mit Personen, gegen die Vorwürfe erhoben wurden. Auf dieser fanden sich laut Helige 20 bis 30 Namen - mehr dazu in Helige: 20 bis 30 Namen von Tätern.

Die Stadt hat bisher 41,5 Mio. Euro an ehemalige Heimkinder ausbezahlt, die Opfer von Missbrauch in städtischen Heimen geworden sind. Die Meldefrist dafür ist am 31. März 2016 abgelaufen. Seither haben sich weitere Opfer gemeldet, Geld gibt es für sie nicht - mehr dazu in Missbrauch in Heimen: Weitere Meldungen.

Heimreform im Jahr 2000

Seit der Heimreform im Jahr 2000 gibt es in Wien keine Großheime mehr. Die Kinder werden nunmehr in Wohngemeinschaften untergebracht. Zudem wurden auch Krisenzentren geschaffen. Dort werden Kinder und Jugendliche laut Jugendamt vorläufig untergebracht, wenn der Schutz in der Familie nicht mehr gewährleistet werden kann. Auch Pflegeeltern erhalten heutzutage eine Ausbildung.

Hubert Kickinger, wien.ORF.at