Lachen in der Nachkriegszeit

Trotz Bronner, Merz, Qualtinger und Co: Die österreichische Kabarettgeschichte zwischen 1945 und 1970 war nicht nur lustig. Ein neues Buch, das kommende Woche in Wien präsentiert wird, beleuchtet diese spannende Zeit.

Franz Novak war SS-Hauptsturmführer und enger Gehilfe von Adolf Eichmann, der im dritten Reich die Deportation der Juden leitete. Nach dem Zweiten Weltkrieg tauchte Novak unter. Erst 16 Jahre später entdeckte ihn die Polizei und er kam vor Gericht. Der SS-Mann leugnete – wie viele andere – irgendetwas über die Vernichtung der Juden gewusst zu haben. Davon inspiriert, führte eine Wiener Kabarettgruppe im Sommer 1965 ein Experiment durch.

Wiener spendeten für NS-Verbrecher

Der spätere Standard-Gründer Oscar Bronner mischte sich mit einer Sammelbüchse unter das Volk. Er sollte eine Straßensammlung für den armen Novak veranstalten. Die Gruppe war sich ziemlich sicher, dass Bronner verprügelt werden würde. Oder, dass es eine andere Form von Protest gab. Doch es kam anders: Innerhalb von zwanzig Minuten spendeten die Wiener 160 Schilling für den NS-Verbrecher.

Kabarettbuch

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Selbstzensur unter Kabarettisten

Geschichten wie diese sind Teil des Buches „…und Lachen hat seine Zeit“. Es wird vom Österreichischen Kabarettarchiv herausgegeben. Die Autoren Iris Fink und Hans Veigl behandeln auf 475 Seiten die österreichische Kabarettgeschichte zwischen 1945 und 1970. „Kabarett zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“, lautet der Untertitel.

Buchhinweis:

Iris Fink und Hans Veigl: „… und Lachen hat seine Zeit“. Kabarett zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Kleinkunst in Österreich 1945 bis 1970, ÖKA, 480 Seiten, ca. 170 Strichabbildungen, 39,20 Euro

„Es gab nichts zu essen und keine Infrastruktur. Aber das Kabarett und die Theater sperrten wieder auf. Man durfte wieder lachen. Das wollten die Besatzungsmächte auch so“, erklärt Autorin Fink. Unterhalter wie Gerhard Bronner, Helmut Qualtinger oder Karl Farkas etablierten in dieser Zeit eine neue Form des Kabaretts in Wien, dass sich auch kritisch mit der NS-Vergangenheit auseinandersetzte.

Doch selbst, als die Besatzungszeit vorbei war, wurde Kabarett noch immer zensiert. Unter anderem durfte der „Fall Novak“ nicht im Fernsehen gezeigt werden. „Die Bevölkerung hat für den Franz Novak gespendet. Das sagt viel über das das Wien der 1960er aus und über das Nichtaufarbeiten“, meint Fink. „Man wollte einfach nur an 1938 anschließen“, erzählt Fink über die damalige Gesellschaft. Viele Kabarettisten hätten sich damit arrangiert und Selbstzensur betrieben. Auch deshalb, weil sie wussten, dass ihr Programm sonst nicht aufgeführt werden durfte.

Kostproben mit Leo Lukas und Simon Pichler

Am 2. Februar präsentiert das Österreichische Kabarettarchiv in Kooperation mit dem KZ Verband Wien das Buch um 20.00 Uhr im Cafe 7stern. Dabei werden die Kabarettisten Leo Lukas und Simon Pichler Kostproben daraus zur Aufführung bringen. Ebenfalls mit dabei ist Schauspielerin Andrea Schramek, musikalisch wird die Buchpräsentation von Franz Alexander Langer am Klavier begleitet.

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