Online-Archiv erzählt Wiens Häusergeschichten

Früher Waffenlager – heute Feuerwehrzentrale. Das Zeughaus in Wien ist nicht das einzige Gebäude, das eine jahrhundertealte Geschichte hat. Nun kann man die Baugeschichte von jedem Gebäude der Innenstadt online nachlesen.

„Wir wissen, wie zentral die ganze Baugeschichte für die Geschichte einer Stadt ist“, sagt Christoph Sonnlechner, Mitarbeiter des Stadt- und Landesarchivs in Wien. Gemeinsam mit der Wienbibliothek im Rathaus hat das Archiv die Baugeschichte von jedem Gebäude in der Innenstadt recherchiert und auf der Online-Plattform „Wien Geschichte Wiki“ veröffentlicht.

Die Website funktioniert dabei ähnlich wie eine Suchmaschine. Je nachdem welche Adresse oder Nummer man in das Suchfeld eingibt, erscheinen die zugehörige Baugeschichte des Gebäudes, die bisherigen Besitzerverhältnisse, die Archäologie oder Informationen zu etwaigen Kriegsschäden. Im Literaturverzeichnis finden interessierte Leser Links für weiterführende Recherchen. Die Originalbände können auch im Lesesaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs oder in der Wienbibliothek eingesehen werden.

Das Zeughaus als Waffenlager

Die Geschichte der Wiener Gebäude lässt sich teilweise über Jahrhunderte hinweg zurückverfolgen. So zum Beispiel das Zeughaus Am Hof, das ab 1562 rund 300 Jahre lang als Waffenlager fungierte. Im Jahr 1883 übersiedelte die Waffensammlung dann ins renovierte Rathaus, und die freigewordenen Räumlichkeiten im Zeughaus gehörten ab sofort der Feuerwehr. Bis heute befindet sich die Zentrale der Feuerwehr in diesem Gebäude.

Auch das Gebäude in der heutigen Irisgasse 2 hat eine ähnlich starke Veränderung durchgemacht. Zuerst im Besitz eines Vertrauten von Rudolf I. von Habsburg, wurde es im 17. Jahrhundert als „Adam-und-Eva-Haus“ bekannt. Der Name leitet sich vom „Adam-und-Eva-Spiel“ ab, das zur Faschingszeit in der früheren Irisgasse abgehalten wurde. Das Spiel, bei dem Burschen tanzend und singend durch die Straße zogen, wurde unter Maria Theresia wegen Sittengefährdung verboten.

Neuer Name für Adam-und-Eva-Haus durch Verbot

Mit dem Verbot änderte sich auch der Name des Gebäudes, das ab nun im Besitz eines Buchdruckers stand. Im ersten Stock siedelte sich eine Militäragentur an, welche Heeresangehörige gerichtlich vertrat. Das erklärt den Spitznamen „Militärstöckel“, den das Gebäude im 18. Jahrhundert trug. Ein Jahrhundert später wurde aus dem „Militärstöckel“ und dem benachbarten Gebäude ein vierstöckiger Neubau, den die „Zentralbank Deutscher Sparkassen“ Anfang des 20. Jahrhunderts erwarb.

Vor dem Zweiten Weltkrieg siedelte sich die Leitung der Vaterländischen Front unter Engelbert Dollfuß in dem Gebäude an. Ab 1941 lag es im Besitz des Deutschen Reiches, bis es dann nach dem Krieg an die Republik Österreich zurückgegeben wurde.

Wiener Gebäude

Wiener Stadt- und Landesarchiv

Früheres Adam-und-Eva-Haus um 1940

Häusergeschichten von über 1000 Gebäuden

Grundlage für das Online-Portal ist das rund 15-bändige Werk von Paul Harrer-Lucienfeld - einem ehemaligen Wiener Beamten, der in den 1950er Jahren die Geschichte der Gebäude innerhalb der Staatsmauern maschinenschriftlich festgehalten hat. Das umfassende Werk heißt „Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur“ und basiert selbst auf Grundbucheinträgen, Sagen und Legenden von früher.

„Wir wussten schon seit Beginn von ‚Wien Geschichte Wiki‘ im Jahr 2014, dass dieses Werk von Harrer sehr viel Material hergibt und zentral für unsere Plattform sein wird“, sagt Sonnlechner. Zwei Jahre hat es gedauert, die rund 15 bis 20 Bände zu lesen. Mit der Aufgabe waren drei Personen der MA 8 und 9 betraut. Das Ergebnis sind Häusergeschichten und Bilder von über 1000 Gebäuden in Wiens Innenstadt, die online abgerufen werden können.

Historische Fakten über Wien

„Wien Geschichte Wiki“ ist eine Online-Plattform der MA 8 und 9, die es seit 2014 gibt. Auf der Website kann man sich historische Informationen über Personen, Ereignisse und Gebäude aus Wien einholen oder selbst Einträge verfassen. Die Einträge werden von einem Redaktionsteam überprüft, bevor sie für jeden abrufbar sind. Voraussetzung für die Veröffentlichung eines Eintrages ist, dass er durch historische Quellen belegbar und wissenschaftlich geschrieben ist.

Marija Barisic, wien.ORF.at

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