Obdachlose Frauen oft „verdeckt wohnungslos“

Ein Viertel der obdachlosen Personen in Wien sind Frauen. Auf der Straße fallen sie kaum auf, weil sie „verdeckt wohnungslos“ sind. Sie schlafen bei Freunden oder Bekannten auf der Couch. „Wien heute“ hat mit Betroffenen gesprochen.

Nina M. ist 16 Jahre alt, als sie sich mit ihren Eltern zerstreitet, ihr Zuhause in Oberösterreich verlässt, nach Wien geht und obdachlos wird: „Im Sommer habe ich ein Zelt gehabt. Da habe ich mit meinem Verlobten drinnen geschlafen. Im Sommer ist es leichter als im Winter. Im Winter ist es einfach härter.“

Wohnungslose Frauen

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Die 22-jährige Nina ist seit sechs Jahren wohnungslos

Betroffene: „Man hat natürlich eine Waffe“

Ihr Zelt stellt Nina auf der Donauinsel auf, dabei ist Angst ist ihr ständiger Begleiter: „Man wacht automatisch bei jedem Geräusch auf. Es ist im Unterbewusstsein schon so drinnen. Man hat natürlich eine Waffe mit. Keine Pistole natürlich, aber ein Messer oder einen Pfefferspray.“

Dreimal in der Woche ist Nina im „Ester“, einem Tageszentrum für betroffene Frauen in Mariahilf. 365 Tage im Jahr werden dort im Schnitt 46 Frauen täglich von Sozialarbeiterinnen betreut. Die Frauen können sich ausruhen, duschen, Wäsche waschen und untereinander austauschen.

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Im Tageszentrum „Ester“ gibt es Unterstützung von Sozialarbeiterinnen

Viele Frauen „verdeckt wohnungslos“

Etwa ein Viertel der von Wohnungslosigkeit bzw. tatsächlicher Obdachlosigkeit betroffenen Personen in Wien sind Frauen. Auffallen tut dies aber kaum, weil die Frauen stark auf ihr Äußeres achten. Außerdem sind viele „verdeckt wohnungslos“, sie finden zumindest bei Bekannten Unterschlupf, erklärt Gabriele Mechovsky, die Leiterin des Tageszentrum „Ester“: „Die Frauen setzen ganz viel daran nicht sichtbar zu sein, nicht aufzufallen. Es ist auch für Männer unangenehm, aber der öffentliche Raum gehört einfach immer noch tendenziell den Männern.“

Häufig werden Frauen wohnungslos, weil ihre Beziehung endet, sie kein eigenes Einkommen haben und nicht im Mietvertrag stehen. Auch Gewalt spielt eine große Rolle: „Das ist ein sehr hoher Anteil. Für mich persönlich sind von Gewalt betroffene Frauen alle verdeckt wohnungslos, weil sie nicht hinauskönnen aus dem System.“

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„wieder wohnen“ öffnet im Winter Nachtquartiere für Frauen

Krankheit als Grund für Wohnungslosigkeit

Aber auch Krankheit kann zu Wohnungslosigkeit führen, wie Marianne H. erzählt: „Ich hatte eine schwere Herzoperation und nachher, als ich in meine Wohnung zurückgekommen bin, wurde mir die befristete Wohnung nicht verlängert. Da ich eine Trennung auch hatte, war ich mehr oder weniger alleine. Der Freundeskreis hat auch nicht so ganz das abfangen können. Auch die Verwandten nicht.“

Von November bis April öffnet jedes Jahr auch ein Frauen-Nachtquartier von „wieder wohnen“ in Simmering, mit Schlafplätzen für 50 Frauen. Zwischen November 2015 und April 2016 haben im Nachtquartier von „wieder wohnen“ einen Schlafplatz gefunden. Auch Nina ist dort regelmäßig. Trotz der nach wie vor schwierigen Situation hat die 22-Jährige Hoffnung. Ein Jus- oder Medizinstudium kommt gleich nach dem Wunsch wieder eine Wohnung zu haben.

Katharina Weinmann, wien.ORF.at

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