Lobautunnel: Baubeginn auf 2019 verschoben

Der Bau der Wiener Nordostumfahrung (S1) samt Lobautunnel verzögert sich. Statt im kommenden Jahr - wie zuletzt geplant - kann nun erst 2019 begonnen werden. Grund sei das immer noch laufende Umweltverträglichkeitsverfahren.

ASFINAG-Vorstand Alois Schedl fordert deshalb für künftige Projekte schnellere Gerichtsentscheidungen. Nach den ursprünglichen Zeitplänen wollte die Autobahngesellschaft eigentlich mit dem Nordteil des S1-Lückenschlusses - also dem Stück zwischen Süßenbrunn und Raasdorf - schon heuer beginnen.

Betrieb erst ab 2026

Zuletzt war davon die Rede, dass man diesen Abschnitt gemeinsam mit dem Südteil inklusive des umstrittenen Lobautunnels bis Schwechat 2018 angehen werde - mehr dazu in Lobautunnel: Baubeginn frühestens Ende 2018. Aber auch das ist nicht zu halten. „2019 können die Vorarbeiten beginnen“, so der ASFINAG-Chef. Das 19 Kilometer lange und mit 1,9 Milliarden Euro veranschlagte Megaprojekt wird damit freilich auch ein Jahr später als avisiert in Betrieb gehen - nämlich erst 2026.

Karte Wien-Ost, geplanter Verlauf der Nordostumfahrung S1

Grafik: ORF.at; Quelle: APA/ASFINAG

Schedl argumentiert mit dem sich in die Länge ziehenden UVP-Verfahren. Nach einem positiven Bescheid in der ersten Instanz, der u. a. von Umweltschutzorganisationen und Bürgerinitiativen beeinsprucht wurde, liegt die Angelegenheit derzeit beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Die öffentliche Verhandlung sei für November 2017 in Aussicht gestellt worden. „Hätten wir bis Juni einen Termin bekommen, wäre ein Baubeginn noch 2018 möglich gewesen“, zeigte sich der Vorstand zerknirscht.

„So werden wir nie fertig“

Er forderte bei der Gelegenheit einen strafferen Zeitrahmen für UVP-Entscheidungen. Denn die ASFINAG habe das S1-Projekt im März 2009 eingebracht, erst nach sechs Jahren habe es eine erstinstanzliche Entscheidung gegeben. „Nun befinden wir uns schon seit zwei Jahren in der zweiten Instanz“, beklagte Schedl. Das Problem aus seiner Sicht: Im Laufe des Verfahrens könnten Projektgegner laufend neue Gutachten einbringen, die dann Gegenstellungnahmen notwendig machten und so den Weg bis zur Entscheidung erheblich in die Länge zögen.

Dauere ein Instanzenzug aber zu lange, änderten sich in dieser Zeit wiederum Gesetze, Normen und Richtlinien, weshalb Projektunterlagen ständig überarbeitet werden müssten. „So werden wir nie fertig“, resümierte der ASFINAG-Chef.

Deshalb wünscht sich Schedl andere Regeln bei derlei Verfahren. Konkret sollte es eine Art Deadline für alle Beteiligten geben, bis wann Eingaben gemacht bzw. Gutachten vorgelegt werden können: „Die Behörde muss irgendwann sagen können: Jetzt ist Schluss.“ Diese Möglichkeit habe sie nach derzeitiger Gesetzeslage nicht, versicherte der Vorstand der Autobahngesellschaft. Schedl schwebt vor, dass die Erstinstanz maximal rund zwei Jahre, die Zweitinstanz in etwa ein Jahr in Anspruch nehmen sollte.

Alternativen zu Tunnel weiter nicht bekannt

Als Argument für schnelle Entscheidungen nennt Schedl auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Denn laut einer - von der ASFINAG in Auftrag gegebenen - WIFO-Studie würden allein in der S1-Bauphase 25.000 Jobs geschaffen. Dazu kämen noch 7.000 langfristige Arbeitsplätze im Umkreis des neuen Autobahnstücks - etwa infolge von Betriebsansiedlungen. Bauverzögerungen würden aber auch Firmen vor Probleme stellen, gab Schedl zu bedenken.

Abgesehen von den Gerichten beschäftigt sich auch die Wiener Stadtpolitik seit Jahren mit dem Thema Lobautunnel. Die SPÖ ist klarer Befürworter des Vorhabens, der grüne Koalitionspartner skeptisch bis ablehnend. Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) hatte deshalb schon vor Monaten angekündigt, Alternativen zu einer unterirdischen Querung des Naturschutzgebiets prüfen zu lassen. Ergebnisse sind nach wie vor nicht bekannt - mehr dazu in Gutachten zu Lobautunnel „demnächst“ und Lobautunnel sorgt für Verstimmung in Regierung.

Zahlreiche Forderungen nach schnellem Baubeginn

Die Verzögerung beim Lobautunnel hat zahlreiche Forderungen nach einem raschen Baubeginn des Mega-Straßenprojekts nach sich gezogen. Sowohl Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) als auch die Rathausopposition und die Sozialpartner beklagten negative Folgen. Die Grünen verteidigten indes die Prüfverfahren.

Die Sozialdemokraten sind deklarierte Befürworter des umstrittenen S1-Lückenschlusses. An der entsprechenden Infrastruktur hingen Jobs und Betriebsansiedlungen, argumentierte Brauner in einer Aussendung: „Das Bevölkerungswachstum Wiens orientiert sich ja nicht an der Dauer eines UVP-Verfahrens! An der Umsetzung des Lobautunnels hängen 25.000 Arbeitsplätze, die man als Argument nicht einfach vom Tisch wischen kann.“

Grüne Ablehnung

Die Ressortchefin forderte mit Verweis auf einen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz ein eigenes Bundesverfassungsgesetz, das u.a. Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und die Entwicklung der Infrastruktur als Staatsziel definiert.

Der Grüne Koalitionspartner signalisierte indes deutlich weniger Aufgeregtheit. „Bei Umweltverträglichkeitsverfahren sind die Forderungen der Gerichte zu respektieren und entsprechende Unterlagen nachzuliefern“, meinte Umweltsprecher Rüdiger Maresch. Umweltschutz sei in der Verfassung verankert, diesem Grundsatz sei auch Folge zu leisten: „Ich rufe alle zur Mäßigung auf, die jetzt die Gerichte kritisieren.“ Aus seiner Ablehnung machte Maresch kein Hehl. „Der Lobautunnel ist verkehrspolitisch aus dem vorigen Jahrhundert, horrend teuer und keine gute Lösung für die Verkehrsprobleme Wiens“, deponierte er nicht zuletzt in Richtung SPÖ.

„Blamage für Wirtschaftsstandort“

Die Sozialpartner sehen das anders. Wiens Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck mahnte zu „deutlich mehr Tempo bei so wichtigen Standortprojekten“. Indem sich der Lobautunnel nun auf den „St. Nimmerleinstag“ verschiebe, „wird der Standort blamiert“. Im entsprechenden Zeitraum würden andere Länder ganze Städte bauen.

Arbeiterkammerpräsident Rudolf Kaske führte „schnelle Arbeitswege“ und die Schaffung guter Industriearbeitsplätze ins Treffen. „Das wachsende Wien braucht die sechste Donauquerung, da können wir nicht ewig warten“, kritisierte Kaske.

Wenig Freude mit der Bauaufschiebung hat auch die Rathausopposition. FPÖ-Landesparteisekretär Anton Mahdalik griff dabei das Gericht an: „Nach dem Motto ‚Nur net hudeln‘ lässt sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über den S1-Lückenschluss samt Lobautunnel feiern, während der Nordosten Wiens im Verkehr erstickt.“ ÖVP-Chef Gernot Blümel ärgerte sich indes über die „sture Dauerblockade durch die Grünen“ - denn: „Wer sich gegen den Lobautunnel stellt, stellt sich gegen den Standort und setzt Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze aufs Spiel.“

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