„Wiener Zeitung“: Chefredakteur abgesetzt

Der Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, Reinhard Göweil, ist am Freitagabend überraschend seiner Position enthoben worden. Die „Wiener Zeitung“ spricht von einem „anlassbedingten Vertrauensverlust“.

Man habe sich gezwungen gesehen, Göweil „wegen eines anlassbedingten Vertrauensverlustes mit sofortiger Wirkung“ von der Funktion als Chefredakteur abzuberufen und das Dienstverhältnis mit ihm zu beenden, teilte Geschäftsführer Wolfgang Riedler mit. Bis auf Weiteres übernehmen die stellvertretenden Chefredakteure die Leitung der Redaktion, hieß es in der Aussendung.

Reinhard Göweil

APA/Georg Hochmuth

Göweil: „Jeder möge sich einen Reim drauf machen“

Laut Zeitung „kein politischer Anlass“

Göweils Abberufung ist kein erstes Vorzeichen auf eine mögliche schwarz-blaue Regierung, wie die im Staatsbesitz stehende „Wiener Zeitung“ am Freitagabend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter entsprechenden Spekulationen entgegentrat: „Die Entlassung erfolgte aus zwingenden arbeitsrechtlichen Gründen. Es gab dafür keinen politischen Anlass.“

Göweil selbst sah das auf Twitter anders. In Antwort auf die Feststellung der „Wiener Zeitung“ schrieb Göweil: „Das bestreite ich ganz entschieden. Jeder möge sich einen Reim darauf machen.“ Auf Facebook sprach Göweil von einem „bloßen Vorwand“ für die Abberufung. „Es wurde kein dienstlicher Vorwurf gemacht. Im kommenden Prozess wird diese Begründung wohl nachgeliefert werden müssen.“ Für die APA war Göweil zunächst nicht erreichbar.

Mit Bundeskanzleramt abgesprochen

Göweil war 2009 als Nachfolger von Andreas Unterberger Chefredakteur der „Wiener Zeitung“ geworden. Mit Jänner 2014 wurde sein Vertrag um fünf Jahre verlängert. Herausgeberin der Zeitung ist die Republik Österreich, in deren Alleineigentum die Gesellschaft steht, verwaltet werden die Anteile vom Bundeskanzleramt.

Der Schritt sei in Abstimmung mit der Eigentümerseite erfolgt und habe die Rückendeckung der Organe des Unternehmens, also des Aufsichtsrates, erklärte Geschäftsführer Riedler gegenüber der APA. „Es war keine alleinige Entscheidung der Geschäftsführung“, so Riedler. Es handle sich um eine fristlose Kündigung aus arbeitsrechtlichen Gründen, anderen Behauptungen trete man entschieden entgegen. Der „Standard“ (Onlineausgabe) berichtete, es solle der Vorwurf sexueller Belästigung im Raum stehen. Göweil selbst habe gegenüber der Zeitung von einer „Intrige“ gesprochen.

Die „Wiener Zeitung“ wurde laut Eigenangaben im Jahre 1703 unter dem Namen „Wiennerisches Diarium“ gegründet und 1780 in „Wiener Zeitung“ umbenannt. Die Wiener Tageszeitung gilt als die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt.

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