Wiener fluchen seltener im Scherz

Die Wiener Schimpfkultur hat jetzt eine Germanistin der Uni Wien untersucht. Scherzhaftes Fluchen a la „Heast, du Wappler!“ ist seltener geworden - aus Angst vor interkulturellen Missverständnissen. Und: Frauen schimpfen vielfältiger.

Dass den Wienerinnen und Wienern scherzhaft gemeinte Kraftausdrücke inzwischen weniger leicht über die Lippen kommen, erklärt die Germanistin Oksana Havryliv so: „Jetzt trauen sie sich das weniger, weil sie nicht wissen, wie Leute aus anderen Kulturen auf die Beschimpfung reagieren.“ Manche Befragte fürchteten sogar, dass aus dem Unverständnis ein handfester Streit entstehen könnte.

Pensionistin droht mit Faust

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Nach wie vor unter den Klassikern: „Arschloch“, „Trottel“ und „Idiot“

Mit politischer Korrektheit habe das weniger zu tun, so die Forscherin. Deren Auswirkung zeige sich eher unter Schülern. Mittlerweile würden Mitschüler zwar weniger häufig aufgrund ihrer Herkunft beschimpft, „aber Schimpfwörter, die auf geistige oder körperliche Besonderheiten abzielen, wie ‚Behinderter‘ oder ‚Opfer‘, haben zugenommen“, sagte Havryliv.

Schimpfen gegen negative Emotionen

Jemanden beleidigen oder kränken wollen die Wienerinnen und Wiener durch Kraftausdrücke laut der Studie nicht unbedingt: Viel häufiger gehe es dabei um eine reinigende Funktion. Belege für diese Hypothese sammelt die gebürtige Ukrainerin Havryliv seit 2006. Möchte man tatsächlich etwas über das Fluchen herausfinden, müsse man sich dem Dialekt zuwenden, „denn der ist den Sprachträgern emotional einfach näher“, zeigte sich die Forscherin vom Institut für Germanistik der Universität Wien überzeugt.

In zwei vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Untersuchungen im Verlauf von sieben Jahren zeigte sich, dass die gängige Sprachpraxis vor allem „produktive Aspekte“ und weniger destruktive Züge aufweist. In beiden Studien wurden jeweils 36 Interviews geführt und 200 Fragebögen von Personen ausgewertet, die den größten Teil ihres Lebens in Wien zugebracht haben.

Erstaunlicherweise lag der Anteil jener Befragten, die angaben, tatsächlich eine gewalttätige oder beleidigende Intention zu verfolgen, jeweils bei exakt elf Prozent. Bei Weitem am häufigsten wird geschimpft, um negative Emotionen loszuwerden. Der Anteil an Personen, die vorrangig aus diesem Grund fluchen, stieg den Angaben zufolge sogar von 64 auf 73 Prozent.

Frauen schimpfen vielfältiger und gezielter

Unterschiede zwischen Mann und Frau ergaben sich laut der Forscherin nur wenige. Salopp gesagt, zeigte sich jedoch, dass Frauen etwas vielfältiger und auf bestimmte Anlässe hin gezielter schimpfen. „Frauen gaben auch öfters an, ein bestimmtes Wort etwa nur im Freundeskreis zu verwenden“, so die Wissenschaftlerin. Einen sehr ähnlich ausgeprägten Hang zur Selbstbeschimpfung („Ich Trottel“) hätten aber beide Geschlechter.

Was die angegebene Häufigkeit der verwendeten Wörter betrifft, setzen die Wiener auf Altbewährtes: Deutlich am häufigsten werden Klassiker wie „Arschloch“, „Trottel“ und „Idiot“ (in dieser Reihenfolge) gebraucht. Auch wenn sie einer gewissen Veränderung unterliege, müsse man sich um die Wiener Schimpfkultur laut der Germanistin keinesfalls Sorgen machen.

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