Buch zeigt „Welt dort oben, die sie übersehen“

Das Buch „Über den Dächern von Wien“ zeigt neben zahlreichen Ausblicken auch kleine Details wie Figuren und Statuen an den Häusern. Die Autoren wollen so dazu auffordern, Wien genauer zu betrachten.

„Ich war früher Bergsteiger, deshalb dachte ich, dass die Höhe kein Problem für mich sein wird“, sagt der Fotograf Janos Kalmar. „Ich hatte aber vergessen, dass das schon 55 Jahre her ist.“ Der mittlerweile 80-Jährige klettert für sein neues Buch dennoch bis zu 20 Stockwerke hoch, um Aussichten auf Wien einzufangen.

Neben Weitwinkelblicken auf die Stadt soll „Über den Dächern von Wien“ vor allem auch die Details zeigen, die von unten nur schwer erkennbar sind. Gemeinsam mit Andreas Lehne wollte Kalmar die Bedeutung dieser Details ausarbeiten. „Auf allen repräsentativeren Gebäuden in Wien sind Wappen, Figuren oder Tiere und alle haben eine besondere Bedeutung“, sagt Lehne.

Bedeutung der Statuen und Figuren werden erklärt

So stellen die Statuen auf dem Naturhistorischen Museum etwa namhafte Naturforscher wie Alexander von Humboldt dar. Andere Figuren und Statuen gehen hingegen auf die Bedeutung des Hauses oder den Bauherren zurück. So sind auf dem Dach der heutigen Börse für landwirtschaftliche Produkte in der Leopoldstadt Figuren zu sehen, die Handel und Getreide symbolisieren.

Buchhinweis:

Janos Kalmar und Andreas Lehne: „Über den Dächern von Wien“. Edition Winkler-Hermaden, 29,90 Euro.

Um diesen Wechsel zwischen Überblicken und Detailansichten zusammenzustellen, hat Kalmar unter anderem öffentliche Plätze wie den Donauturm und zahlreiche Kirchentürme besucht. Manche Aussichten sind jedoch für Interessierte nicht so einfach zugänglich. „Der Ausblick unter dem Rathausmann erfordert sechs oder sieben Bewilligungen von Magistratsabteilungen“, sagt Kalmar. „Sogar die Rathauswache hat mich beim Fotografieren begleitet.“

Um einige Behördengänge zu umgehen, hat Kalmar auch private Personen angesprochen. „Ich habe dann die Leute gefragt ‚was sehen Sie, wenn sie aus dem Fenster schauen?‘ Es waren viele wildfremde hilfsbereite Leute, die mich in ihre Wohnungen und Dachböden gelassen haben.“

Wien von seiner schönsten Seite

Die so entstandenen 119 Bilder sollen Wien von seiner schönsten Seite zeigen. Baukräne, Ruinen und Autos werden deshalb nur selten gezeigt. An ihre Stelle rücken tiefrote Sonnenuntergänge hinter dem Rathaus und ein mit Schnee bezuckerter Stephansdom.

„Meine Frau sagt immer: Fotografie ist Betrug, weil Effekte wie Lärm oder Menschenmassen hier nicht dabei sind“, sagt Kalmar. Hinter den idealisierten Bildern steht jedoch auch ein Aufruf: „Es ist eine Anregung, manchmal inne zu halten und bewusst zu schauen statt von einem Ort zum anderen zu hetzen“, sagt Lehne. „Wir wollen den Leuten zeigen, dass sie nicht immer nur auf ihr Handy und in die Auslagen schauen sollen, sondern auch auf die Dächer. Denn es gibt eine ganze Welt dort oben, die sie übersehen.“

Melanie Gerges, wien.ORF.at