Viel Zündstoff in ÖVP-FPÖ-Wohnrecht

Förderungen beim Erwerb von Eigentum, Lagezuschläge in ganz Wien und höhere Mieten für Besserverdiener im Sozialbau: Die geplanten Änderungen der neuen Bundesregierung beim Mietrecht wären in Wien deutlich zu spüren.

Eine neue Verpackung für neue Mietverträge: Auf den Seiten 47 bis 49 ihres Regierungsprogramms schrieben ÖVP und FPÖ die Grundpfeiler für ein neues Wohnrecht nieder. In Wien sind der soziale Wohnbau und Gründerzeitmieten gleichermaßen betroffen. Mehr als jeder zweite Bewohner lebt im geförderten Wohnbau und müsste künftig eventuell mehr für seine Wohnung zahlen. Denn die Regierung sieht vor, dass Besserverdienende auch mehr zahlen sollen.

Angedacht ist, einen Gehaltscheck einzuführen. Das ist ein Modell, das zuletzt in Berlin versucht und wieder verworfen worden ist: „Also sehr aufwendig, das alles zu verwalten. Die Leute müssen ihre Einkommensdaten bringen und das muss dann verarbeitet werden“, sagt Mietrechtsexperte Martin Gruber. In Berlin wurde das Modell verworfen, weil der Aufwand zu hoch und die Verwaltung sehr teuer gewesen sei.

Seestadt Aspern

ORF.at/Christian Öser

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„Regierung für teures Modell gar nicht zuständig“

Gruber sieht hier prinzipiell einen „Systemirrtum“ der Regierung. Denn diese sei eigentlich ja gar nicht zuständig. Denn die Bundesländer sind für die Wohnbausanierung zuständig, das heißt, sie legen auch fest, bis zu welchem Jahreseinkommen eine geförderte Wohnung in Frage kommt. Bei Genossenschafts-Wohnungen werde zudem ohnehin schon jetzt unabhängig vom Einkommen der kostendeckende Mietzins eingehoben.

Das Resümee des Mietrechtsexperten: „Aufgrund der Verfassungslage wüsste ich nicht, wie das angegangen werden soll, wenn ohne Änderung der Verfassung die Länder die Zuständigkeit haben und entsprechende Einkommensgrenzen festlegen.“

Lagezuschläge bis 3,20 Euro pro Quadratmeter

Eine gesetzliche Neuregelung durch den Bund könnte also schwierig sein, sagen Experten. Und sie rechnen auch aus, dass die geplante Aufhebung des Verbots für Lagezuschläge in Wien die Mieten verteuern würde. Die Immobilienwirtschaft protestiert schon länger gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, dass es zulässig ist, Mietzins zu begrenzen, in dem kein Lagezuzschlag in bestimmten Gebieten verrechnet werden darf.

30 Jahre für 60 Quadratmeter

Gruber lässt noch mit einem Ergebnis einer Studie aufhorchen: Ein Arbeitnehmer in Wien braucht durchschnittlich 30 Arbeitsjahre, um eine 60-Quadratmeter-Wohnung abzuzahlen.

Jetzt, unter geänderten Machtverhältnissen, so Gruber, wird geplant, dieses Verbot aufzuheben. Das bedeutet, dass die Mieten bei Neuvermietungen in den Gründerzeitvierteln Wiens - also entlang des Gürtels vom 14. bis zum 17. Bezirk, in Teilen des zweiten und dritten Bezirks - steigen werden. Ein Zuschlag von 1,60 bis 3,20 Euro sei zu erwarten. Betroffen wären am ehesten junge Menschen, die gerade Wohnung suchen. Nicht vergessen dürfe man aber auch die befristeten Mietverträge, wo der Vermieter ja alle vier Jahre eine höhere Miete verlangen kann.

Regierung will „modernes Wohnrecht“ schaffen

Details zu den geplanten neuen Regelungen im Mietrecht hat die Regierung noch nicht festgelegt. Sie sollen erst bei einem eigenen „Mietrechts-Konvent“ ausgearbeitet werden. Bis es Ergebnisse gibt, soll das geltende Mietrecht novelliert werden. Die Regierung plant, das Wohnrecht zu modernisieren, das Wohnungsangebot zu vergrößern und den Anteil von Wohnraum im Eigentum zu vergrößern. Sozialer Wohnbau soll jenen zugutekommen, die ihn wirklich brauchen, heißt es.

Faksimile Regierungsprogramm Wohnbau

ORF

Faksimile Regierungsprogramm Wohnbau

Im Zentrum solle eine marktkonforme Miete bei Neubauten und Gesamtsanierungen stehen. Der sogenannte „Mietadel“ solle durch zeitgemäße Ausgestaltung der Eintrittsrechte (für Ehegatten, eingetragene Partner, Kinder) abgeschafft werden. Zur „Herstellung fairer Verhältnisse“ will man das Verbot des Lagezuschlags in Gründerzeitvierteln aufheben, wird ebenfalls angekündigt. Im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau soll es regelmäßige Mietzinsanpassungen für Besserverdiener geben.

SPÖ und Grüne gegen Regierungspläne

Den Applaus der Immobilienwirtschaft hat die neue Regierung. In Wien kritisieren aber SPÖ und Grüne sowie Mieterschützer die Pläne. Seitens der SPÖ heißt es etwa, Eigentum sei die neue Freiheit: "Das ist wie Marie Antoinette, wenn ihr kein Brot habt, esst Kuchen. Wenn es kein Mietrecht gibt, kauft euch eben eine Wohnung“, sagte der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Schieder.

Wohnungsplan mit Schlüssel

APA/Helmut Fohringer

Und der Klubobmann der Wiener Grünen, Ellensohn, kritisierte Verschärfungen im Mietrecht am Beispiel von Wohnungen, die man künftig nur dann an Partner weitergeben könne, wenn eine eingetragene Partnerschaft oder Ehe bestehe. Negativ sah er auch das Verbot des Lagezuschlags aufzuheben, damit wären „marktkonforme Mieten“ nicht mehr nur in Neubauten, sondern auch in Altbauten angekommen.

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